Als Model wurde Sara Nuru bekannt. Als Unternehmerin hilft sie inzwischen Menschen. Mit »Roots« skizziert sie den Weg dorthin.
Die Kraft der Bohne
Ostafrika hat seine eigene Epidemie. Seit 2018 erleben die Grenzregion vom Jemen, Oman und Saudi-Arabien, überhaupt die südliche arabische Halbinsel, aber auch große Gebiete in Kenia und Äthiopien ungewöhnlich intensive Regenphasen. Das wiederum begünstigt die Brut von Wanderheuschrecken, deren Populationen inzwischen stellenweise flächenmäßig die Ausdehnung des Saarlandes erreichen. Wo sie entlangziehen, herrscht Kahlschlag, gefolgt von Ernteausfällen, Hunger, Armut. Umso wichtiger ist es, dass Menschen es gelernt habe, sich kleinteilig zu organisieren, womöglich eigene Miniatur-Unternehmen haben, die es ihnen ermöglichen, finanziell die Dürren zu überbrücken. Der Verein nuruWomen unterstützt Frauen in Äthiopien seit 2018 in kleinem Umfang mit Mini-Krediten. Das Kapital dafür erwirtschaftet er mit nuruCoffee, gegründet im Jahr zuvor, einem fair agierenden Mikro-Kaffeeanbieter, den Sara Nuru und ein paar Gleichgesinnte ins Leben gerufen haben. Üblicherweise verdient die junge Chefin ihr Geld als Model und schon ist man mitten in einer Lebensgeschichte, die die Autobiografie »Roots« umreißt.
Zur Ergänzung: Christiane Pfaus Artikel über die WasserStiftung in Äthiopien
Es ist eine Erfolgsstory der Kontraste, die zum Beispiel im bayerischen Erding spielt, wo Sara Nuru als Tochter äthiopischer Eltern geboren wird und einen Teil ihrer Kindheit verbringt. Sie führt nach München, zu absurden Stationen wie dem Massen-Casting für »Germany’s Next Topmodel«, zu noch realitätsentrückteren Stationen im Profibusiness der Schönheitsindustrie, dann aber zurück ins Innere der Autorin, in ihre Auseinandersetzungen mit der eigenen kulturellen Identität, zum Bedürfnis, sich für NGOs wie Menschen für Menschen zu engagieren und letztlich eigene Unternehmen und Vereine zu gründen, mit denen sie ihre Kompetenz in ihre zweite Heimat tragen kann. Die erste Ebene ist die der eigentlichen Geschichte, die zweite aber die der Struktur im Hintergrund. Da geht es um die Sichtbarkeit einer jungen Frau mit afrikanischen Wurzeln in einer Gesellschaft mit postkolonialem Denk- und Handlungserbe. Es geht um Selbstbewusstsein, etwas bewegen zu können, Menschen zu motivieren.
»Roots – Wie ich meine Wurzeln fand und der Kaffee mein Leben veränderte« hat keinen Anspruch, Literatur sein zu wollen. Doch es zeigt, wie man/frau es schafft, aktiv zu werden, Muster zu verlassen, ohne sie zerstören zu müssen. Und nebenbei lernt man auch noch eine Menge über Kaffee und dessen Wege in die Welt. ||
SARA NURU:ROOTS. WIE ICH MEINE WURZELN FAND UND DER KAFFEE MEIN LEBEN VERÄNDERTE.
Goldmann, 2019 | 272 Seiten | 14 Euro
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