Die Ausstellung »Jahresausgaben« in der Lothringer13 Halle widmet sich der finanziellen Situation und dem gesellschaftlichen Dilemma der Kunstschaffenden.

Prill Vieceli Cremers‘ »Money« von 2015 (HD-Video-Projektion, 2019, © Edition Patrick Frey) © Lothringer13

In Analogie zu den jährlichen Werkeinreichungen der Künstler als »Jahresgaben« für die Kunstvereine, nun also die »Jahresausgaben«: Es geht ums Geld, das leidige Thema, das so gar nicht zu künstlerischer Kreativität und einem Leben als Bohemien passen will. Die Werke der 14 Künstler, Künstlerinnen und
Kollektive in der Lothringer13 Halle umkreisen die ökonomischen, bürokratischen undexistenziellen Facetten des Künstlerdaseins. Leitmotiv ist der Esel, dem in der Videoarbeit von Philipp Messner eine Karotte vor die Nase gehängt ist. Er läuft und läuft, wird die Belohnung aber nie erhalten. Auf die ökonomische Formel gebracht: Wie der Esel bleibt der Künstler in der Dialektik von kultureller Sinnstiftung und ökonomischer Wertschöpfung gefangen. Machen wir uns nichts vor – die gegenwärtige Situation ist für das Gros der Künstler bitter. Kein produktiver Wirtschaftszweig schafft so viel Prekariat wie der Kulturbetrieb.

Der Öffentlichkeit bleibt diese Realität verborgen. Sichtbar sind schicke Galerien in Bestlage, attraktive Ausstellungen, Kunst zu Preisen, die den Normalverdiener überfordern, sowie Berichte über einen überhitzten Markt. Vom Verkauf ihrer Kunst kann hierzulande tatsächlich aber nur eine kleine Minderheit der Künstler leben: Drei Viertel der in der Künstlersozialkasse versicherten bildenden Künstler haben Verkaufserlöse von lediglich 10 000 Euro – im Jahr! Nur 1,8 Prozent aller Künstler kommen auf Einkünfte von mehr als 50 000 Euro. Nicht wenige kämpfen um das Mindesteinkommen von 900 Euro, das Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der KSK ist. Was folgt, ist ein soziales Desaster. In der Ausstellung illustrieren die drei »stürzenden Männer« des Malers Peter Ravn den finalen Crash. Das bürgerliche Kunstpublikum hängt sich derweilen den »armen Poeten« von Carl Spitzweg als Porzellanteller über den gedeckten Tisch.

Für die Galerien sieht es nicht besser aus. Gudrun Spielvogel, Vorsitzende der Münchner Galerieninitiative, benennt es offen: »Wie überall ist auch in München die Zahl der Galerien rückläufig. Und viele Galerien können die 80 Euro Mitgliedsbeitrag nicht zahlen.« Tanja Pol hat nach zehn Jahren ihre Tätigkeit als Galeristin für zeitgenössische Kunst beendet. Auch Karin Wimmer wird ihre Galerie in der Amalienstraße schließen: »Ich sehe keine Perspektive mehr. Auf Messen werde ich nicht genommen, und die Sammler kaufen keine Künstler, die unbekannt sind. Das Thema ist durch. Was läuft, ist der abgekoppelte Markt der Bluechips oder die schnell lebige und austauschbare Dekorationsware in den unteren Preisklassen. Für diebreite Masse der guten Künstler gibt es keine Verkaufsmöglichkeiten mehr. Das Galeriensystem wird sich selbst vernichten und die Großen haben immer das Gleiche, das wird richtig fad.«

Und Große gibt es viele, gerade in München. Ein Global Player wie die Galerie Klüser zahlt locker einen hohen fünfstelligen Betrag für Transport, Treppenhausumbau und Kran, um die tonnenschweren Skulpturen des Londoner Weltstars Anish Kapoor in den ersten Stock ihrer Altbauwohnung zu hieven. Die partizipative Ausstellung von Thomas Hirschhorn in der Villa Stuck, die gegen das elitäre Kunstgebaren arbeitet, muss hinterher komplett vernichtet werden, damit sie nicht kommerzialisiert wird. Bei der Eröffnung wollten sich Besucher Styroporteile von Thomas Hirschhorn signieren lassen. Fragt sich, was dekadenter ist.

»Burning Car« (2008) der Gruppe SUPERFLEX © Lothringer13

Nur auf Banknoten leben Kultur und Geld in einträglicher Symbiose. In der monumentalen Installation des Designstudios Prill Vieceli Cremers aus ihrer Buchpublikation »Money« ist in der Ausstellung anhand der Gestaltung verschiedenster Geldscheine zu sehen, wie der monetäre Wert in der künstlerisch-visuellen Darstellung von politischen und kulturellen Errungenschaften eine Entsprechung findet. Auf der anderen Seite derHalle lässt die dänische Künstlergruppe SUPERFLEX einen Mercedes in Flammen aufgehen.

Und wie kommt der Künstler zu seiner Karotte? »Die Wertigkeit des einzelnen Künstlers«, so Gudrun Spielvogel, »ist gesunken. Früher identifizierte sich ein Bildungsbürgertum mit einzelnen Künstlern und ihren Werken, heute fallen diese engen Bindungendurch Beliebigkeit weg. Die Allzeitverfügbarkeit macht alles austauschbar und bindet das Individuum nicht mehr.« Serafine Lindemann vom Akademieverein sieht die einzige Möglichkeit in der Selbstorganisation: »An der Akademie sind sie wie in einem Kokon, sicher aufgehoben zwischen Fördermitteln und Stipendien. Ins Leben gespült, werden sich nur die wenigen durchsetzen, die die Qualität haben und die sich in den verschiedenen Foren und Netzwerken organisieren.«

Die älteren Kunstschaffenden arbeiten standhaft gegen die Verzweiflung an. Viele geben Unterricht an Schulen, privaten Akademienoder im eigenen Atelier. Wettbewerbe fürKunst am Bau sind ein probates Mittel, aber längst kein Garant. Häufig verschlingen falsche Kalkulationen einen Teil des Honorars. Versprechen wie öffentliche Präsenz und kulturelle Anerkennung werden dem Künstler vor die Nase gebunden, der ökonomischeBenefit geht im Idealismus des künstlerischen Schaffens auf.

Längst wird eine adäquate Bezahlunggefordert. Der Berufsverband der Bildenden Künstler hat eine Leitlinie für Ausstellungshonorare herausgegeben. Durchschnittlich 1500 Euro werden pro Ausstellung angesetzt, eine Summe, die zwischen den beteiligten Künstlern noch geteilt werden muss. Reich wird man davon nicht, aber zumindest ein Bewusstsein für den Wert künstlerischer Arbeit wäre damit geschaffen. »Seien wir keine Esel mehr«, fordert Michael Hirsch, Professor für Politikwissenschaft und Kunsttheorie. Er sieht in der »Jahresausgaben«-Ausstellung einen Appell, endlich über die Situation der Künstler zu reden. Der ökonomische und der sinnstiftende Stellenwert der Kultur müssen getrennt werden, Zeit und Einsatz neu bewertet. In ihrem Video schickt SUPERFLEX den Künstler zum Hypnotiseur. So verführerisch ihm die Arbeitswelt erscheint, findet er am Ende einen Ausweg aus dem Labyrinth? ||

JAHRESAUSGABEN / NE TRAVAILLEZ ASSEZ, NE COMPTEZ JAMAIS
Lothringer13 Halle| Lothringer Str. 13 | bis 17. März | Di bis So 11–20 Uhr | Eintritt frei
Gespräche: Michael Hirsch und Kilian Jörg, »Cultural Workers Unite!«, 21. Feb., 19 Uhr; Sebastian Kremers, 26. Feb., 19 Uhr

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