Abdullah Kenan Karaca bringt »Das Bildnis des Dorian Gray« im Volkstheater zum Strahlen.

Dandy Dorian Gray (Oleg Tikhomirov, Mitte) und seine Freunde (v. l. Pascal Fligg, Jakob Geßner) © Gabriela Neeb

Schon auf der ersten Seite des einzigen Romans von Oberdandy Oscar Wilde finden sich zwei dieser Aphorismen, die jeder schon mal gehört oder gelesen hat – und sei es nur in den Packungen der Zigarettenpapiermarke »Muskote« (wo sie, folgt man einem weiteren Bonmot des Meisters, auch trefflich hinpassen). Wie aktuell »Das Bildnis des Dorian Gray« aber auch jenseits der bekannten Sinnsprüche ist, beweist Regisseur Abdullah Kenan Karaca zurzeit auf der kleinen Bühne des Volkstheaters.

Den ersten Geniestreich landet jedoch Bühnenbildner Vincent Mesnaritsch: Der schlichte goldene Käfig, in dem sich das Schicksal des »Prince Charming« vom unschuldigen Adonis zum verderbten Lebemann und Mörder vollzieht, kann nur kriechend betreten und verlassen werden, wer rein oder raus will, muss sich in den Dreck werfen, während andere Szenen lediglich als Fußtheater zu sehen sind. Im Laufe des Stückes bekommt die Fassade zunehmend Risse und Löcher – und am Ende stehen die Schauspieler ebenso wie die Zuschauer buchstäblich in der Asche. Zum Glück widersteht Karaca der Versuchung, mit den abgerissenen Zaunpfählen auch noch allzu demonstrativ zu winken. Lediglich das Finale ist vielleicht etwas zu viel Horrorshow. Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt an dieser dichten Inszenierung, die von einem großen Vertrauen in den Text getragen wird.

Die Geschichte des Narzisstenlehrlings Dorian Gray, der von einem ebenso zynischen wie gewitzten Zeitgenossen verführt wird, und dessen Wunsch, sein Porträt möge statt ihm altern, prompt erfüllt wird, passt perfekt in unsere Selbstoptimierungsgesellschaft. Man muss kein Faust sein, um diesen »Teufelspakt« attraktiv zu finden, auch wenn er natürlich im Unglück endet. Der gebildete Hedonist mag ein grausamer Egoist sein, der nur so lange zu seiner Liebe hält, solange sie ebenso repräsentabel ist wie er selbst, aber Lord Henrys Sprüche sind einfach die besten, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Die Volkstheater-Inszenierung verdichtet den berühmten Stoff in kongenialer Weise zu einem rasanten, gut anderthalbstündigen Theaterabend, dem man mit wachsender Begeisterung folgt, während im engen Saal die Temperatur von Minute zu Minute steigt und der lange Applaus am Ende schon als wohltuendes Luftzufächeln empfunden wird. Die leicht historisierenden Kostüme von Elke Gattinger könnten durchaus auf der nächsten Vernissage zu sehen sein und das bisschen Theaterdonner am Finale sei den fünf Schauspielern (Oleg Tikhomirov, Pascal Fligg, Carolin Hartmann, Jakob Geßner und Pola Jane O’Mara) durchaus vergönnt nach diesem packenden Kammerspiel, in dem der Grenzgang zwischen Persiflage und Dramatik stets gelingt. Noch dazu liefert das Stück einen höchst vergnüglichen Beitrag zum aktuellen »Faust«-Hype in München. Und bei aller Liebe für unseren Goethe: Die Bonmot-Dichte in »Das Bildnis des Dorian Gray« ist um einiges höher als im »Faust« – und sie sind sehr viel partytauglicher. ||

DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY
Volkstheater| 7., 8., 12., 14., 18. Mai| 20 Uhr
Tickets 089 5234655

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