Vorab aus der Nummer 74: Heute starten José Padilhas »7 Tage in Entebbe« & Sergei Loznitsas »Die Sanfte« im Kino.

7 Tage in Entebbe

»7 Tage in Entebbe« | 2018 eOne Germany

von Benedikt Frank
»7 Tage in Entebbe« ist nicht die erste Verfilmung der Ereignisse um eine Flugzeugentführung 1976. Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, Gründer der Revolutionären Zellen, trennten, in Uganda angekommen, Passagiere mit israelischem Passund aufgrund ihrer Namen als jüdisch Identifizierte vom Rest, der freigelassen wurde. Nach der Geiselnahme mit dem Ziel,inhaftierte RAF-Mitglieder und palästinensische Militante freizupressen, begannen Teile der linke Szene den eigenen Antisemitismus zu hinterfragen.

In einer israelischen Verfilmung von 1977 spielt Klaus Kinski den deutschen Terroristen Böse als einen Irren. Unter »Narcos«-Regisseur José Padilha schlüpft nun Daniel Brühl in die Rolle, das Drehbuch von Gregory Burke lässt den Deutschen nun menschlicher erscheinen. Nur geht das soweit, dass Böse sich im Film während der Geiselnahme eingesteht, dass er durch die Selektion von Juden selbst wie ein Nazi handelt. Historisch ist ein solches Reflexionsvermögen nicht belegt, im Gegenteil verteidigte Böse sein Tun gegenüber einem Holocaustüberlebenden mit tätowierter Häftlingsnummer.

Das Ringen der Terroristen in Uganda und der Amtsträger in Jerusalem gipfelt in der Erstürmung des Terminals in Entebbe durch IDF-Soldaten. Als etwas zu lose angeheftete Metaebene findet in Israel zeitgleich der Stuhltanz aus Ohad Naharins »Echad Mi Yodea« statt, bei dem sich orthodoxe Juden ihrer traditionellen Kleidung entledigen, symbolisch säkulare Israelis werden. Insgesamt gibt sich die Verfilmung trotz dieses Verfremdungsversuchs authentisch, letztlich ist sie aber als Thriller viel mehr auf Unterhaltung aus als auf eine Geschichtsstunde. ||

7 TAGE IN ENTEBBE
GB 2018 | Regie: José Padilha | Mit: Daniel Brühl, Rosamund Pike u.a. | 107 Minuten | Kinostart: 3. Mai
Trailer

Die Sanfte

»Die Sanfte«| © AGC-Photo

von Matthias Pfeiffer
Um es gleich zu klären: Mit Dostojewskis gleichnamiger Erzählung hat Sergei Loznitsas »Die Sanfte« wenig zu tun. SeinFilm ist die Geschichte einer Frau, die versucht, ein bisschen verdiente Gerechtigkeit zu erlangen, und dabei an der Bosheit und Empathielosigkeit ihrer Umgebung scheitert. Die namenlose Hauptfigur (Vasilina Makovtseva) wollte eigentlich nur ein Paket an ihren inhaftierten Mann schicken. Als es jedoch ohne Gründe zurückgeschickt wird, sieht siesich mit einem undurchdringlichen Machtapparat konfrontiert, der sie harsch abweist und keine ihrer Fragen beantwortenwill. Ihre Suche nach Hintergründen wird zu einemAbstieg in eine kaputte Gesellschaft, für deren Rechtssystem sie nur ein lästiger Klotz ist. Auch als sie sich Hilfe bei den Verlierern und Ausgestoßenen sucht, stößt sie nur auf Eigensinn und Rohheit.

»Die Sanfte« hinterlässt dabei einen höchst merkwürdigen Eindruck. Makovtseva spielt keine Person, sondern einen apathischen Schatten, der nur in seltenen Momenten Anteilnahme am eigenen Schicksal erkennen lässt. Von vornherein scheint hier alles aussichtslos zu sein. Zusammen mit seinen hypnotischen Bildern und seinem surrealen Finale entwickelt sich der Film zu einem grotesken Zerrbild unmenschlicher Zustände. Dadurch entfaltet sich allerdings eine Wirkung abseits des reinen Realismus,die den Zuschauer aufganzeigene Art einfängt und auch nach dem Verlassen des Kinos für einige Zeit nicht mehr loslassen wird. ||

DIE SANFTE
Russland 2018 | Regie: Sergei Loznitsa | Mit: Vasilina Makovtseva, Valeriu Andriutã, Sergey Kolesov | 143 Minuten | Kinostart: 3. Mai
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