Die Ausstellung »Faust-Welten« im Theatermuseum beleuchtet die Aufführungsgeschichte von Goethes Drama.

Jürgen Roses Modell für »Faust« an den Kammerspielen 1987| © Oda Sternberg

Goethe hat Münchens Kulturleben fest im Griff. Um nicht zu sagen, in der Faust. Dank einer cleveren Marketing-Initiative der Kunsthalle und des Gasteig dreht sich hier bis Ende Juli fast alles um Goethes »Faust«. Schier unmöglich, dem zu entkommen, wenn selbst in den Schaufenstern des Kaufhauses Beck die verspiegelte Deko-Installation einen Bezug zu dem Drama behauptet (der sich jedoch auch einem »Faust«-kundigen Passanten kaum erschließt). Mittel- und Ausgangspunkt des Festivals ist die große Ausstellung »Du bist Faust« in der Kunsthalle. Sie präsentiert umfassend die Rezeption und Aneignung des Stoffes durch Künstler aller Sparten bis heute in Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen, Opern, Filmen und sogar Comics.

Aber wie sah »Faust« auf seiner ureigenen Heimat, der Bühne, aus? Das erkundet sehr informativ die sehenswerte Ausstellung »FaustWelten« im Theatermuseum. Goethe selbst fand ja sein Werk schon »inkommensurabel«, also eigentlich unspielbar. Von der ersten Publikation 1808 bis zur Uraufführung des »Faust I« am Braunschweiger Hoftheater 1829 dauerte es 21 Jahre. Denn Goethe, obwohl selbst 16 Jahre lang Theaterintendant in Weimar, überforderte rücksichtslos die damaligen bühnentechnischen Möglichkeiten. Wie sollte man in schnellen Szenen- und Ortswechseln 28 verschiedene Schauplätze auf die Bretter stellen?

Dennoch wurde es tapfer versucht, den entscheidenden Fortschritt brachte ein knappes Jahrhundert später die Erfindung der Drehbühne. Die Kuratorinnen Claudia Blank und Katharina Keim gliedern klar nach drei Grundfragen: Wer – wo – was? Welche Darsteller spielten die Hauptrollen Faust, Mephisto und Gretchen und wie sah das Rollenbild aus? Im 19. Jahrhundert erschien Mephisto als eleganter Junker im roten Wams mit Hahnenfeder am Hut. Die Dämonisierung, wie sie Gründgens dann spielte, geschah schleichend. Die ersten weiblichen Mephistos spielten Maria Becker 1977 am Resi und Lore Tappe 1979 in Schwerin. Faust blieb zunächst eher der Verlierer im Schatten des Teufels – ein skrupelloser Verführer galt nicht als Traumrolle, auch nicht in der Publikumsgunst. Den lebens- und wissenshungrigen Grübler entdeckte man erst später. Und Gretchen war in den ersten Inszenierungen eine brünette, manchmal kokette Kleinbürgerin. Zur naiven, blondbezopften Unschuld wurde sie einige Jahrzehnte danach, ab 1920, und im Dritten Reich damit zum ikonischen Phänotyp. Viele historische Schauspieler-Rollenporträts zeigen, wie sich die Sichtweise
veränderte.

Wo spielt »Faust«, in welchem Bühnenbild? 23 Bühnenmodelle bilden das spannende Herzstück der Ausstellung. Von Angelo Quaglios illusionistisch gemalten Zug- und Hängekulissen 1875 bis zu den jüngsten Inszenierungen von Kusej am Resi und Castorf an der Berliner Volksbühne kann man die ästhetische Entwicklung bis in die totale Abstraktion verfolgen. Alfred Rollers Drehbühne für Max Reinhardt 1909, Jürgen Roses knallgelber Guckkasten für Dieter Dorn 1987, Peter Steins Expo-Spirale 2000, Robert Wilsons grafische Bildfindung 2015 – die Bühnenmodelle liefern augenfällige Vergleiche. Und wer genug Zeit hat, kann im Nebenraum »Faust«-Kino sehen: die legendäre Gründgens-Inszenierung sowie die Aufführungen von Dieter Dorn, Peter Stein, Robert Wilson und von Christoph Schroth in Schwerin in voller Länge.

Bleibt noch die Frage: Was wurde gespielt? Das gewaltige Werk kommt kaum je ungekürzt auf die Bühne, auch weil es eine Unzahl von Darstellern erfordert. Wer wie gekürzt und bearbeitet hat, belegen Einblicke in Regiebücher. Der gesamte Text überflutet einen schon zu Beginn im schwarzen Tunneleingang: Grellorange laufen die projizierten Sätze schräg über Wände, Boden und Decke – das ganze Drama in 28 Minuten, als Endlosschleife. Die Installation von Christian Schmidt ist buchstäblich schwindelerregend, weil man jedes Raumgefühl verliert. Und das Auge dann dankbar am ersten großen Foto verankert. Zur Verankerung des Themas liefert auch das Begleitbuch fundierte Untersuchungen zu den Fragen-Komplexen der Ausstellung. ||

FAUST-WELTEN
Deutsches Theatermuseum| Galeriestr. 4a
bis 2. September| Di bis So 10–16 Uhr
Begleitbuch Henschel Verlag, 34,95 Euro
Infos zu Führungen und Filmterminen

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