Jacques Loussier schaffte es mit »Play Bach« nicht ins Jazzlexikon. Für den Bassisten Dieter Ilg sollte es da keine Probleme geben.

Dieter Ilg, Tüftler und Jazzarchäologe| © Ralf Dombrowski

Dass sie sich auf ihre europäischen Wurzeln besinnen möchten, bekommt man von deutschen Jazzmusikern oft zu hören. Der Bassist Dieter Ilg zählt zu den wenigen, die das wirklich konsequent tun. Schon 1997 hat er dafür eine Art Tabu gebrochen und als Mann des Jazz eine CD mit deutschen Volksliedern eingespielt, von »Der Mond ist aufgegangen« über »Im Märzen der Bauer« bis zu »Frère Jaques«. Letzteres zwar ein französischer »Fremdkörper« unter den »Folksongs« (»Volkslieder« als CD-Titel wäre wohl doch zu weit gegangen), aber Ilg ist im Badischen den unwiderstehlichen Kanon singend aufgewachsen.

Neuerdings hat er selbst für einen musikalischen »Frère Jaques« gesorgt, und der heißt Loussier. Ebenjener hat bekanntlich schon in den 60er Jahren im Trio extrem erfolgreich »Play Bach« gespielt. Am Klavier begleitete Loussier für viele Jahre der gestandene Jazzmusiker Pierre Michelot (Coleman Hawkins, Dexter Gordon, Dizzie Gillespie), wobei begleitet auch musikalisch zu verstehen ist: weitgehend im Sinne eines traditionellen Verständnisses von Klaviertrio. Und nun also wieder Klaviertrio, aber der Bass als Boss der CD »B-A-C-H«, obwohl auch er so arrangiert, dass das Piano unweigerlich im Vordergrund steht. Während Loussier erst auf Komponisten wie Satie, Debussy, Ravel oder Vivaldi auswich, als Johann Sebastian weidlich ausgereizt war, kam Dieter Ilg auf um -gekehrtem Weg über Beethoven, Wagner und Verdi (drei ECHO-preisgekrönte CDs) zum Barockmusiker mit dem auffälligen Jazzappeal, von dem Loussier sagt: »Bachs Basslinien erinnern oft an einen Walking Bass. Man muss da nur Nuancen verändern, ein kleines ›Tadum‹einfügen, und schon fängt es an zu swingen.«

So einfach wie sein meist smooth am Original entlang agierender Vorgänger, der in der Jazzszene nie so richtig akzeptiert wurde, hat es sich Dieter Ilg definitiv nicht gemacht. Auch er setzt auf intimen Kammerjazz, der in der Regel dezent swingt. Aber der in Sachen Bach »durch Schul- und Musikschulunterricht gestählte Mann« (Ilg) bricht bei allem Respekt auch Strukturen auf, verteilt Melodien auf die Instrumente oder setzt ihnen selber Kontrapunktisches entgegen. Pianist Rainer Böhm, Münchnern mit eigenem Trio oder im Zusammenspiel mit Saxofonist Johannes Enders vertraut, bringt subtilen Anschlag ins Tastenspiel und – sogar beim »Siciliano« aus Bachs Flötensonate – tonale Reibungen, bei denen erklärte Play-Bach-Fans schmerzlich das Gesicht verziehen dürften, um anschließend in Frieden der »Air« zu lauschen oder Präludien aus dem Klavierbüchlein für Friedemann Bach, die jeder halbwegs ambitionierte Klavierschüler aus eigener Erfahrung kennt. Der Franzose Patrice Héral, ein gerne auch Percussion beisteuernder Verächter gängiger Schlagwerkmuster, benutzt vor allem seine Besen, lässt die Becken fein klingeln, ein Meister des perkussiv Filigranen. Live dürfte es in der Unterfahrt auch mal forscher, aber in jedem Fall geschmackvoll zur Sache gehen, wenn Dieter Ilg sich Bach zu Herzen nimmt. ||

DIETER ILG TRIO B-A-C-H
Unterfahrt | Einsteinstr. 42 | 21. Dez. | 21 Uhr | Tickets: 089 4482794

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