Günstig, sozial gerecht, gemeinschaftlich und innovativ – so könnte das Wohnen der Zukunft aussehen. Jedenfalls muss gebaut werden, um Raum für alle zu schaffen. Wie das gehen soll, zeigt eine Ausstellung im Rathaus.
Man möchte ja nicht in der Haut der Verantwortlichen stecken, wenn es um das Wohnen für alle in München geht. Für alle heißt: auch für die sozial Schwachen, auch für mittlere Einkommensklassen, Kleinfamilien mit Kindern, Singles und Senioren. Ohne eine gesunde Durchmischung aller gesellschaftlichen Gruppen in dieser Stadt gerät sie aus der Balance. Gerade in München wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Seit Jahren schon geistert das Gespenst der Gentrifizierung durch die Landeshauptstadt. Ein unaufhaltsamer Prozeß der Luxussanierung von Altbauten oder deren Abbruch statt des Bauens im Bestand, von Spekulation mit den raren Grundstücken – all dies sind quasi natürliche Vorgänge in einer so begehrten Metropole, deren Wachstum bis 2030 auf 1,7 Millionen Menschen beziffert wird. Es ist eine Never Ending Story und eine Mammutaufgabe.
Für das Plansoll im Rahmen des (größten) wohnungspolitischen Handlungsprogramms Deutschlands »Wohnen in München VI« von 2017 bis 2021, stellt die Stadt ein Budget von 870 Mio. Euro zur Verfügung, 250 Mio. kommen von den städtischen Wohnbaugesellschaften hinzu, 280 Mio. vom Bund und Land Bayern. Von diesem Etat sollen 8500 Wohnungen pro Jahr entstehen. Wo? Das wissen die Götter.
»Mehr Wohnen« heißt dieses Mal die Jahresausstellung in der Reihe »Zukunft findet Stadt« in der Rathausgalerie – und sie wartet teilweise mit überraschenden Initiativen, aber auch mit ernüchternden Fakten auf. Wohnraum schaffen, das allein ist nur die halbe Miete; dazu gehört auch die soziale und Verkehrs-Infrastruktur, bei immer knapper werdenden Flächen. Die Ausstellung versucht Antworten auf diese Fragen zu geben und innovative Projekte vorzustellen. Die Stichworte lauten »sozial gerecht«, »Wohnen innovativ«, »gut zusammenleben« und »Akteure + Allianzen«. Und sie fordert die Besucher wie schon in den vergangenen Jahren auf, durch ihre Kommentare sowie Teilnahme an den Zusatzveranstaltungen interaktiv mitzuwirken. Die thematischen Stadtspaziergänge waren rasch ausgebucht.
Gemeinschaften bilden
Was ist »Wohnen innovativ«? Ein Beispiel dafür ist zur Zeit in aller Munde: Das Projekt von wagnisART, realisiert von den Architekten von bogevischs buero und den Genossenschaftsmitgliedern (siehe Münchner Feuilleton 59/Jan. 2017). Der Planungsprozess gestaltet sich schwierig, wenn alle Beteiligten und späteren Eigentümern ein Mitspracherecht haben, berichtet Architekt Rainer Hofmann, und es ist ihm anzumerken, dass ihm dieses Bauvorhaben nicht nur Spaß gemacht, sondern ihn auch eine Menge Nerven gekostet hat. Doch das Konzept scheint aufzugehen. Im Rahmen der »Nacht der Architektur« konnte man bei einer Führung dieses Experiment in Augenschein nehmen.
Nicht nur die nachgerade exzentrisch anmutenden Kubaturen der fünf Häuser, die um einen Platz angeordnet und in der Höhe mit Brücken untereinander verbunden sind, sondern auch die bis 400 qm großen Gemeinschaftswohnungen folgen einem neuen Konzept des Zusammenlebens. Den zentralen Mittelpunkt dieser Wohnungen bildet eine Gemeinschaftsküche und ein Aufenthaltsraum, davon abgehend 6–8 geräumige Appartements, die autonom funktionieren, aber eben auch den Anschluß an die Gemeinschaft ermöglichen.
Ein ähnliches Konzept verfolgen die KunstWohnWerke in der Streitfeldstraße. Hier haben sich Künstler eine ehemalige Kleiderfabrik zu Ateliers umgebaut und teilweise kann hier auch gewohnt werden. Eine Initiative der Stadt München ist die »Mitbauzentrale«, deren Ziel es ist, Interessentengruppen für die Schaffung von Gemeinschaftseigentum zu bilden und damit die Grundstücke für Spekulationsobjekte zu blockieren und langfristig bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Beim 11. Wohnprojekttag am 10. und 11. März kann man sich im Gasteig über laufende Wohnprojekte informieren.
Mietpreisbindung und Nachverdichtung
Ein Dauerthema ist die soziale Gerechtigkeit des Wohnens in Bayerns Metropole. Mit seinengemeinnützigen Wohnbaugesellschaften GWG und GEWOFAG hat München bereits einen riesigen Bestand von Wohnsiedlungen mit Mietpreisbindung – und dieser wird weiter aufgestockt. In Zahlen ausgedrückt heißt dies: Die GWG verfügt aktuell über 26150 Wohnungen mit einer Miete von 6,64 Euro pro Quadratmeter; bei der GEWOFAG sind es sogar 35117 Wohnungen für durchschnittlich 6,94 Euro. Auch die Rahmenbedingungen und Beschlüsse des Planungsreferats der Stadt hören sich durchaus beruhigend an, besonders wenn Stadtbaurätin Elisabeth Merk sie vorträgt. Kein Grund zur Sorge also, dass München dem Andrang des Zuwachses nicht standhält und nicht aus den Nähten platzt?
Großbaustellen und neue Stadtteile wie Freiham mit 4000 Wohneinheiten, 900 in Feldmoching und 385 im Kreativfeld (insgesamt geplant 900 im Kreativquartier) an der Dachauer Straße, um nur die größten zu nennen, sind das Ziel bis ins Jahr 2021. Ein weiterer Schwerpunkt der Wohnraumbeschaffung, ebenfalls seit Jahren, heißt Nachverdichtung. Gut, warum sollten in gartenstadtähnlichen Vierteln, wo ein Haus auf einem Grundstück steht, wenn Platz vorhanden, nicht zwei Häuser stehen? Richtig eng wird es erst, wenn ein Vorschlag umgesetzt werden sollte, den die Ausstellungsmacher von der Biennale in Venedig mitgebracht haben: Mit einem riesigen seeblauen Plastikmodell wird die fiktive Nachverdichtung für Trudering simuliert. Kein schöner Anblick. Gestalterisch und stadtplanerisch ginge es sicher menschenverträglicher.
Aber eines wird klar: So bald explodiert die Stadt noch nicht. Zuzugsstopps für München, nach der Methode von Einreiseverboten ins Paradies, wird es also vorerst nicht geben müssen. Für eine differenzierte Perspektive lohnt ein Blick in die Ausstellung. ||
MEHR WOHNEN
Rathausgalerie | Marienplatz 8, Innenhof bis 23. Februar | täglich 11–19 Uhr, Eintritt frei
15. Februar, 19 Uhr: Wohnen XL – gestern, heute, morgen | 22. Februar, 19 Uhr: Akteure und Allianzen: Wer trägt die Impulse weiter? – Gesprächsrunde mit Stadtbaurätin Elisabeth Merk | Eintritt frei
Das könnte Sie auch interessieren:
Villa Stuck / Münchner Stadtmuseum: Nach der Schließung
50 Jahre Olympiapark / Olympische Spiele in München
Ausstellungen im März: John Heartfield, Kunstschmuck, Olympiapark
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton