Die Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz verlässt ihren Posten in Nürnberg Richtung Berlin. Und sie hat einiges bewirkt.

Joana Mallwitz

Ein Gewinn für die Stadt

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Joana Mallwitz | © Lutz Edelhoff

Das mit dem Lebenswerk wird immer komplizierter, da Künstler:innen inzwischen weit über die einstmals üblichen Zeitspannen hinaus aktiv sind. Vielleicht sollte man als Kategorie feuilletonistischer Würdigung das Lebensabschnittswerk einführen, um auch umfassend agilen Persönlichkeiten wie Joana Mallwitz gerecht werden zu können. Die Spielzeiten seit 2018/19 mit der Staatsphilharmonie Nürnberg und am Staatstheater Nürnberg waren jedenfalls für die gegenwärtige Generalmusikdirektorin ein künstlerischer und karrieristischer Quantensprung. In diesen fünf Jahren gelang der 1986 in Hildesheim geborenen Dirigentin neben den Nürnberger Erfolgen durch Gastauftritte an Opernhäusern wie Dresden, München, Bern, Kopenhagen, Zürich und mit führenden Orchestern der Sprung in die Spitzenliga. Als man im ersten Corona-Sommer bei den Salzburger Sommerfestspielen 2020 ein Notprogramm aus den Planungsärmeln schüttelte und Christof Loys »Cosi fan tutte« reaktivierte, wurde Joana Mallwitz die erste Frau in der 100-jährigen Festspielgeschichte, der man eine Neuproduktion und gesamte Aufführungsserie anvertraute. 2022 kehrte sie für eine »Zauberflöte«-Wiederaufnahme nach Salzburg zurück.

Beim Philharmonischen Orchester Erfurt wurde Mallwitz zur Spielzeit 2014/15 die jüngste Generalmusikdirektorin Deutschlands, im Herbst 2019, zum Zeitpunkt ihrer Auszeichnung als »Dirigentin des Jahres« durch die Zeitschrift »Opernwelt«, war sie 33 Jahre jung. Für Nürnberg wird sie, wie sie sagte, auch nach ihrem Wechsel als neue Chefdirigentin und Künstlerische Leiterin des Konzerthausorchesters Berlin Heimatgefühle bewahren. Denn neben einem umfangreichen künstlerischen Pensum, das die Einführung der Reihe »Expeditionskonzerte« und zahlreiche Sonderformate beinhaltete, wurde dort ihr Sohn geboren. Und sie stand am Pult, als am 15. Oktober 2022 im Festkonzert und mit einer Festwoche das Jubiläum »100 Jahre Staatsphilharmonie Nürnberg« gefeiert wurde. Joana Mallwitz zeigte auch da mit der Uraufführung der Symphonie Nr. 5 von Lera Auerbach ihre Passion für Neue Musik. Wie mehrere Nürnberger Auftritte von Mallwitz wurde dieses Konzert von BR-Klassik übertragen.

Im sechsten Philharmonischen Konzert gönnt sich Joana Mallwitz nochmals einen Rückblick auf die Pandemiejahre. Am 28. April dirigiert sie in der Meistersingerhalle die in der Lockdownzeit abgesagte Symphonie Nr. 4 von Gustav Mahler und Höhepunkte der letzten fünf Spielzeiten. Davor tritt sie am 16. April im 6. Kammerkonzert zwischen zwei von ihr dirigierten »Figaro«- Vorstellungen als Pianistin in Schuberts »Forellenquintett« auf. In der Oper leitet sie am 6., 9. und 26. April drei Vorstellungen der Wiederaufnahme von »Carmen« in der Inszenierung von Vera Nemirova. Parallel kommt als letzte Neuproduktion ihrer Nürnberger Amtszeit am 15. April Mozarts »Die Hochzeit des Figaro« heraus. Staatsintendant Jens-Daniel Herzog wird die Komödie um die Intrige von Figaros Braut Susanna gegen den Grafen Almaviva als
»Herbst des Patriarchen« inszenieren.

Im Opernhaus dirigierte Joana Mallwitz seit 2018/19 eine Reihe großer Werke – überwiegend mit Sänger:innen aus dem Ensemble des Staatstheaters Nürnberg: Sergei Prokofjews »Krieg und Frieden« nach Tolstoi, Wagners »Lohengrin«, Verdis »Don Carlos« und Richard Strauss’ »Die Frau ohne Schatten« (erstmals wieder nach 50 Jahren) entstanden in der Regie von Jens-Daniel Herzog. Debussys »Pelléas et Mélisande« wurde wegen der Pandemie leider nur konzertant aufgeführt. Zu einem großen Erfolg für Joana Mallwitz geriet der StrawinskyAbend des Nürnberger Balletts mit »Pulcinella« und »Le sacre du printemps«. Und auch wenn bayerische Kulturpolitik sich üblicherweise nicht durch Progressivität und Würdigung von Wagemut auszeichnet, haben die Verantwortlichen unlängst auch ein wenig Stil und Weitblick bewiesen. Denn am 16. März wurde Joana Mallwitz mit dem Bayerischen Verfassungsorden ausgezeichnet. Bei der Verleihung im Maximilianeum in München würdigte die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner die Verdienste von Joana Mallwitz als Ausnahmedirigentin: »Von Publikum und Fachwelt werden Sie begeistert gefeiert. Mit Ihrem Wirken leisten Sie einen großartigen Beitrag zu Kunst und Kultur in Bayern – und weit darüber hinaus. Sie sind eine Inspiration.« Das stimmt. ||

ABSCHIEDSKONZERT GDM JOANA MALLWITZ
Meistersingerhalle Nürnberg
28. April | 20 Uhr | Tickets: 0180 1344276

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