Günstige Arbeitsräume und zuverlässig verfügbare Ausstellungsflächen für Künstler sind in der Landeshauptstadt kaum vorhanden und heiß begehrt. Immer wieder gibt es Versuche der Ermächtigung vonseiten der Künstler und Ideen, die es wert sind, nicht aufgegeben zu werden.

Künstler in München: Westflügel und Atelierturm

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Entwurf für den Atelierturm im Domagkpark © Kollektiv A/Benedict Esche, www.kollektiv-a.de (2)

Der Bundesverband Bildender Künstler München und Oberbayern weiß derzeit nicht, wohin er ziehen soll, wenn er die ehrwürdigen Räume an der Maximilianstraße aus Gründen des staatlichen Eigenbedarfs verlassen muss (hier der Artikel). Die Künstler in den Ateliers auf dem Kreativquartier schauen entweder in eine unklare Zukunft oder zahlen künftig saftige Mietpreise für Containerbüros (hier der Artikel), die eher für die Kollegen aus der Kreativwirtschaft aufgestellt wurden. Zwei andere Institutionen freilich sind für die Künstlerschaft aktuell von besonderem Interesse.

Das Haus der Kunst und sein Westflügel

Die traditionsreichen Münchner Künstlerverbände bestritten seit 1948 jährlich in Selbstverwaltung ihre Ausstellungen im Haus der Kunst: die Jahresausstellung der Münchener Künstlergenossenschaft königlich privilegiert 1868, den »Kunstsalon« (seit 1959) der Freien Münchner und deutschen Künstlerschaft (FMDK) e.V. und die »Große Kunstausstellung« der Secession, der Neuen Gruppe und der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft. Letztere waren Teil der Ausstellungsleitung Haus der Kunst, die das Haus betrieb, wobei der legendäre Geschäftsführer und HdK-Direktor Peter Ade bis 1982 große Ausstellungen zur Kunst der Moderne, Sonderschauen, Faschingsbälle und ein Sponsorennetzwerk organisierte und die Antiquitätenmesse ins Haus holte. 1992 wurde eine neue Stiftungskonstruktion Betreiber des zuletzt finanziell in die Krise geratenen Hauses. Auch sollten die Künstlerverbände in der Programmplanung des damaligen HdK-Chefs Christoph Vitali keine Rolle mehr spielen (eine Nutzung des Westflügels oder der Mittelhalle durch sie war immerhin angedacht), ebenso unter Chris Dercon, wobei 2009 alle Verträge gekündigt wurden. 2012 fand schließlich die letzte der Jahresausstellungen statt. Dercons Nachfolger Okwui Enwesor erklärte das HdK schließlich zum Museum – zwar ein Museum ohne Sammlung, aber im Selbstverständnis ein global vernetztes Ausstellungshaus und Zentrum für zeitgenössische Kunst.

Bernhard Springer vom FMDK e.V. stellt fest: »Wir haben 42 Museen in und um München, wir brauchen kein neues Museum und keine Konkurrenz zu den Häusern im Kunstareal. Was wir wirklich brauchen, ist eine Ausstellungshalle, die die kontinuierliche Sichtbarkeit der lokalen und regionalen Künstler*innen ermöglicht.« Deshalb hat der FMDK e.V. ein Konzept für die Bespielung des leeren Westflügels – er war bis 2001 vom Haus der Kunst separiert und diente einst als Interimsquartier der Staatsgemäldesammlungen, dann als Probebühne der Staatstheater – durch die Künstlerverbände erstellt, in bewährter Selbstverwaltung und Selbstorganisation.

Dieses Konzept sieht vor, dass der Westflügel zur »unabhängigen« Ausstellungshalle für regionale zeitgenössische Kunst wird. Die Ausstellungen und Veranstaltungen sollen über einen separaten Seiteneingang zugänglich sein, sodass es nicht zu Verwechslungen mit dem Programm im Haus der Kunst kommt. Auch der BBK könnte hier eine neue Spielfläche finden, wenn er seine jetzigen Räume aufgeben muss. Springer vertritt den Ansatz: Das Haus der Kunst ist der Nachfolgebau für den 1931 abgebrannten Glaspalast im Alten Botanischen Garten, der ein bedeutender internationaler Faktor der Kunststadt München und von jeher Ausstellungsort für die regionale Kunstszene war. Entsprechend wurde das Haus von der US-Militärregierung zur Nutzung durch die Künstlerschaft an den Bayerischen Staat übergeben. Deshalb plädiert Springer für ein »Miteinander« der Künstlerorganisationen im Westflügel. Schöne Idee. Aber ob dies heute noch gelingen kann, bei all den profilneurotischen Partikularinteressen?

Von der Funkkaserne zum Atelierturm

Unverzichtbar für die Münchner Kunstschaffenden sind die Domagkateliers auf dem Gelände der ehemaligen Funkkaserne der Bundeswehr. Anfang der 1990er Jahre zogen zunehmend Künstler aus dem gesamten Spartenspektrum, seit jeher auf der Suche nach günstigen Atelierräumen, Studios oder Probenräumen, auf das Gelände. 1994 fanden die ersten »Domagktage« statt, mit offenen Ateliers und einem Veranstaltungsprogramm in Ausstellungsräumen, Clubs und auf den weitläufigen Anlagen zwischen den Häusern. Die Domagkateliers waren zu die ser Zeit Europas größte Künstlerkolonie mit 250 Ateliers auf 20.000 Quadratmetern in ehemals elf Häusern. 2006 erwarb die Stadt München das ehemalige Kasernengelände.

Sukzessive wurde die Fläche zugunsten eines neuen großen Wohnareals verkleinert. Von den Künstlerhäusern blieb am Ende nur Haus 50 mit 6000 Quadratmetern übrig. Unter der Ägide des damaligen Kulturreferenten Hans-Georg Küppers wurde das Künstlerhaus 2008 zügig saniert, und 2009 konnten die ersten Ateliers wieder bezogen werden. Die gemeinnützige DomagkAteliers GmbH, die sich aus vier Künstlervereinen und ehemaligen Hausbetreibern gegründet hatte, übernahm die Selbstverwaltung des Hauses, das mit 101 Ateliers und zwei Gastateliers bis heute ca. 140 Künstler beherbergt. Die Künstler investierten in den Ausbau ihrer Räume, verlegten Böden, zimmerten Emporen, spachtelten und strichen Wände und gestalteten Terrassen und Außenflächen. Im Ausstellungsraum Halle50 finden seitdem Wechselausstellungen der Domagk-Künstler statt. An den »Künstlersonntagen« sind die Ateliers geöffnet und ziehen Flaneure ebenso wie Sammler an. Die Tradition der »Domagktage« wurde als jährliches Festival fortgeführt.

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Bei der 20-Jahr-Feier wurde immer wieder betont, dass die wichtigsten Aspekte hinsichtlich der Zukunftsgestaltung zum einen Planungssicherheit, zum anderen die Ausweitung der Selbstverwaltung seien. Kurz danach wurde jedoch das Belegungsverfahren massiv verändert. Die Künstler müssen sich seitdem im Fünfjahrestakt immer neu mit Mappen und einschlägigen Unterlagen um ihre Ateliers bewerben. Die Entscheidung, wer bleiben konnte oder durchfiel, fällte eine Jury. Die Idee, so mehr Abwechslung ins Areal zu bringen und zu verhindern, dass Künstler sich festsetzten, widersprach komplett dem Anspruch auf Planungssicherheit wie auch auf Selbstverwaltung. »Die Domagkkünstler*innen leiden seit der Übernahme der Stadt unter dem vom Kulturreferat eingeführten Rotationsprinzip. Das Rotationsprinzip schichtet nur die Künstler*innen um, schafft aber keine neuen Atelierräume«, sagt Bernhard Springer, der als Pressesprecher der Domagkateliers auch in diesem Zirkel (und mit einem eigenen Atelier) zu Hause ist. Als Vorstandsmitglied des Domagk Kunstunterstützung (DOKU) e.V. hat er zusammen mit Lars Mentrup daran mitgewirkt, dass sich nun auch bisherige Ateliernutzer wieder bewerben können, eine gewisse Kontinuität gewährleistet ist und die aufgebaute Domagkkultur »nicht mit jeder neuen Jurierung plattgemacht« wird.

2019 mussten Springer und seine Mitstreiter eine über 40-prozentige Mieterhöhung gegenüber dem Kommunalreferat abwehren. Dies kam im Endeffekt allen Atelierhäusern zugute, denn die Erhöhung nach den Maßgaben der Bewertungsgutachten hätte alle Kulturschaffende in städtischen Immobilien betroffen. Eine Folge der Kampagne war, dass aktuell die Kulturmieten in den städtischen Immobilien um 30 Prozent gesenkt wurden, auch weil sonst die Abwanderung der Künstler in Städte mit günstigeren Mietpreisen dramatische Formen annehmen würde. Im inzwischen teuren Berlin beispielsweise will der Senat 2000 geförderte Ateliers schaffen.

Ob 30 Prozent Münchner Mietminderung die drohende Abwanderung aufhalten können, wird man sehen – für viele sind auch 16 statt 23 Euro pro Quadratmeter noch zu viel. Umso hoffnungsfroher stimmt ihn ein Projekt, das ein Leuchtfeuer entfachen könnte: der Atelierturm im Domagkpark. »Für das Projekt des Atelierturms konnten wir bereits den zuständigen Bezirksausschuss gewinnen, der das Projekt bedingungslos unterstützt. Auch alle Stadtratsfraktionen unterstützen das Projekt, ausnahmslos von CSU bis Linke, und sind von dem ersten Entwurf unseres Architekten Benedict Esche begeistert«, freut sich Springer. Esche vom Büro Kollektiv A hat ein schlankes, 16-stöckiges, 60 Meter hohes Haus entworfen, in dessen Erdgeschoss und im ersten Stockwerk ein öffentlicher Bereich geplant ist und darüber 14 Etagen für Künstler und andere Kreative. So würde auf kleiner Grundfläche Platz für etwa 100 vielfältig gegliederte Ateliers entstehen. Der Kostenrahmen für das innovative Haus aus recycelten Baumaterialien läge bei 15 Millionen Euro. Für einen Investor wäre dieser weithin sichtbare Turm ein wunderbares Schmuckstück, das sich am Ende sogar die Kunststadt München ans Revers heften könnte. ||

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