Die neue Ausgabe des Kuckuck-Festivals zeigt Materialtheater mit Farbe, Papier und Holz, aber wagt sich auch auf ganz neue Wege.
Kuckuck – Theaterfestival für Anfänge(r)
Mit dem Baby in den Club?

»Untz Baby Untz«: Was macht ein Lampenschirm aus Großtantes Zeiten auf der Technoparty? | © AdeY
Mit zehn Inszenierungen und mehreren Workshops für verschiedene Zielgruppen präsentiert sich das Kuckuck-Festival 2025 in gewohnter Stärke. Es ist allerdings auch noch eine Vor-Spar-Ausgabe, gibt Mascha Erbelding als eine von drei Festivalleiter*innen zu bedenken. Alle Verabredungen waren bereits getroffen, als die Stadt München ihre Kürzungen im Kulturbereich verkündet hat. Die greifen also erst später. Die Gesellschaft zur Förderung des Puppenspiels e. V. (GFP) wird ihr Herbstprogramm voraussichtlich ganz streichen müssen. Was das für Kuckuck bedeutet, das im Wesentlichen aus den laufenden Etats der Veranstalter GFP, Schauburg und Evangelische Familienbildungsstätte Elly Heuss-Knapp gestemmt wird, ist noch nicht abzusehen. Das ist bitter, denn hier trifft die städtische Konsolidierung die Bürger*innen von morgen und nagt am Fundament, auf dem wir uns mit den Mitteln der Kunst demokratisch verständigen. Denn Kuckuck hat die Allerkleinsten im Visier: Kleinkinder von null bis fünf Jahren, von denen einige glauben, sie hätten im Theater noch nichts verloren. Und ja, man kann mit ihnen auch andere schöne Dinge machen, aber warum sollte man ihrer unermesslichen Neugier nicht von Anfang an das beste und vielfältigste Futter geben? Wie wäre es zum Beispiel mit einem Ausflug in den Club? Im Ernst? Nein, zum Spaß!
In »Untz Baby Untz« lädt die dänisch-schwedische Kompanie Myka Kleinkinder zu einer Technoparty ein. Mit verrückten Kostümen, einem aufwendigen Lichtkonzept und maßgeschneidert für zwei Zielgruppen. Es gibt eine Version für Babys ab sechs Monaten und eine für Kinder von drei bis sechs Jahren, die sich in der Lautstärke und Intensität unterscheiden, aber auch in der Art der Animation: »Die Kleineren werden behutsamer abgeholt, damit sie zusammen mit ihren Erwachsenen Spaß haben können«, so Erbelding. Andrea Gronemeyer, Intendantin der Schauburg, in deren Räumen die interaktive Tanzperformance stattfinden wird, freut sich sehr auf dieses Stück wie auch darüber, dass das ganze Festival in diesem Jahr »ein bisschen frecher« sei. »Lauter, schriller, es gibt weniger wabernde Tücher.« Warum das so ist? Mascha Erbelding versucht sich an einer Erklärung: »Das sinnliche Erdtheater, schön, poetisch und zum Wohlfühlen, ist eine lange gemeinsame Tradition und ein bewährtes Rezept. Aber viele fragen sich jetzt: Was könnte eigentlich noch funktionieren? Das Entscheidende ist die Haltung, mit der man auf die Kinder zugeht, und nicht, ob jemand grüne Haare hat oder Punk ist. Und vielleicht holt man damit auch die Eltern ab.« »Untz Baby Untz« erweist sich jedenfalls gerade als Vorverkaufshit.
Die Zeiten ändern sich. Was nicht heißt, dass ältere Stücke automatisch von gestern wären. Der Beweis dafür heißt »Rawums (:)« und ist ein echter Klassiker des Theaters für die Allerkleinsten. Mit seinem zweiten Stück für diese Altersgruppe war das Berliner Duo florschütz & döhnert bereits 2009 in München und zwischenzeitlich schon in der ganzen Welt unterwegs. Und die experimentelle und clowneske Materialperformance über die Schwerkraft – mit fliegenden Eiern, Stühlen und Federn – wirkt heute noch so frisch, klug, komisch und poetisch wie am ersten Tag. Mit ihr und den ebenfalls empfehlenswerten Schauburg-Eigenproduktionen »Gute Wut« und »Viva Wasser« sind diesmal drei deutsche Stücke im Kuckuck-Programm vertreten. Lange hinkte man hierzulande der Entwicklung in Sachen Baby- und Kleinkindtheater hinterher. Doch hier wächst endlich etwas heran – und auch zusammen. So kooperiert Kuckuck in diesem Jahr erstmals mit dem Salzburger BimBam-Festival, das ebenfalls im März stattfindet. Man habe sich bereits weit im Vorfeld über Produktionen ausgetauscht, die man in beiden Städten zeigen könnte, erzählt Mascha Erbelding. Das ist nachhaltig und freut auch die eingeladenen Künstler. Kuratorische Eitelkeiten? »Die müssen wir uns abschminken«, sagt Erbelding mit Blick auf die knapper werdenden Budgets.
Vorbericht zum Festival 2023
Vom Zusammenrücken und der Sehnsucht nach Gemeinschaft erzählen auch die belgische Tanzperformance »Shall we … together« (leider kurzfristig abgesagt!) und »Scoooootch!« – eine französisch-kanadische Koproduktion von Les Nouveaux Ballets du Nord-Pas de Calais und Synthèse Additive, in der sich drei Rockmusikerinnen mit Unmengen von Klebeband ein Zuhause bauen und sich miteinander und mit ihrer Umwelt verkleben und verbinden. »Zuhause« – auf Bengalisch »Amarbari« – heißt auch das Schattenspiel der Kompanie Unterwasser aus Italien, das Zwei- bis Fünfjährige und ihre Begleitung zu einer gemeinsamen Reise in die erstaunlich bunte Dunkelheit einlädt. Zauberhafte und ganz unalltägliche Welten entstehen da, während andere Produktionen sich Materialien bedienen, die man in jedem Kinderzimmer findet. In »Klotz« von Ko-Koo-Mo aus Finnland sind es Holzbausteine, die zur Figur zusammengesetzt, in den richtigen Händen aber auch als Solitäre lebendig werden können. Farbe und Papier benutzt das theater.nuu aus Wien für »Spuren«, wo mithilfe der Musik von Anton Bruckner und der Aktionen der mitmischenden Zuschauer*innen eine Art Landkarte entsteht. Und auch in »Kleur +« wird aus Bewegung Malerei. Denn die in den Niederlanden arbeitende italienische Choreografin und Tänzerin Gaia Gonnelli tanzt mit großen silbernen Kugeln, die es in sich haben. Andrea Gronemeyer schwärmt: »Da wird mit Farbe rumgematscht, wie Kinder es sich sonst nur erträumen können.« Für Mascha Erbelding hat das Stück »etwas Flirrendes und ein utopisches Moment«. Das hat unsere Welt gerade sehr nötig. ||
KUCKUCK – THEATERFESTIVAL FÜR ANFÄNGE(R)
Verschiedene Orte | 14.–24. März | Tickets: 089 23337155, 23322347, 5522410 | Website
Weitere Vorberichte und Kritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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