Nähmaschinen sind Instrumente, wenn man weiß, was man von ihnen will. Wie Stephanie Müller mit »Sharper Than A Needle«.

Sharper Than A Needle

Mit Nadel und Sound

sharper than a needle

Stephanie Müller näht sich ihre Musik | © Klaus Erika Dietl

»Viele von uns gibt es ja nicht«, sagt die brasilianische Textilkünstlerin Agente Costura alias Lisa Simpson. Weil sie mit ihrer Nähkunst anfangs nur alte Textilien wieder aufgewertet hatte oder aus alten Stoffen im Sinne eines Umweltschutzes neue Textilien hergestellt hatte, fiel ihr irgendwann auf, dass man den Sound der Nähmaschine während solcher Upcycling-Aktionen auch musikalisch nutzen könnte. Zunächst verwendete sie dafür den originalen Klang der Nähmaschine. Nachdem sie aber nach Berlin gezogen war, lernte sie dort eine Do-it-yourself-Elektroszene kennen, in der Kontaktmikrofone und Klangeffektgeräte selbst gebaut wurden. Mit solchen neuen Kenntnissen begann sie daraufhin, ihre Nähmaschinen umzurüsten, die nunmehr nicht nur zum Nähen taugten, sondern als eine Art Synthesizer auch zu sehr vielseitigen Klangerzeugungen. Schließlich traf sie dann vor zehn Jahren eine weitere Textilkünstlerin, die ihre Nähmaschine ebenfalls als Musikinstrument verwendet: Stephanie Müller aus München.

Schon damals konnte sich Stephanie Müller mit ihrer Textilkunst sogar international behaupten. Dass sie darüber hinaus aber auch noch Musik mit ihrer Nähmaschine macht, weckte Lisa Simpsons Interesse. Schließlich gäbe es ja nicht viele, die so was machen. Und schon wurden gemeinsame Projekte beschlossen, die auch in Stephanie Müller ein neues Bewusstsein für die Nähmaschine als Musikinstrument festigten. Schon lange davor hatte Müller in der Popband Beißpony die klavierdominierte Musik einer Singer-Songwriterin mitunter auch auf einer Nähmaschine begleitet. »Besonders ernst genommen wurde die Nähmaschine aber auch dort nicht als Instrument«, meint Stephanie Müller rückblickend. Sie diente wohl mehr als Klangeffekt, so wie auch die Schreibmaschine, auf der die Schlagzeugerin Müller während eines Beißpony-Konzerts rhythmisch tippte und damit kleine Briefe schrieb, die sie dann ins Publikum reichte. Zusammen mit Agente Costura hat sie nun ein Nähmaschinenorchester gegründet. »So eine Gemeinschaftsarbeit war uns auch darum wichtig, weil in der bildenden Kunst, anders als in der Musik, noch viel zu viele Einzelkämpfer unterwegs sind, die wir jetzt auch mal vereinen wollten«, sagt Stephanie Müller. Also wird ihr Nähmaschinenorchester nun auch noch von Karen Modrei auf einer Strickmaschine ergänzt. Mit ihr würde ein Klangbett geschaffen werden, worüber die anderen Musizierenden spielen könnten. Etwa Klaus Erika Dietl, der ein Spinnrad zum Musikinstrument umgebaut hat. Oder Stefan Wischnewski, der auch einen achtköpfigen Nähmaschinenchor zusammengestellt hat.

Darüber hinaus gibt es Tänzerinnen und weitere Künstlerinnen, denen zuliebe Stephanie Müller in einer weitgehend komponierten Musik auch Platz für Improvisationen lassen mag. »Da spielen nämlich auch so großartige Menschen mit wie die Schlagzeugerin und Sängerin Ángela Muñoz Martínez. Wenn man die nicht improvisieren lässt, dann vergeudet man so viel«, sagt Müller. Am 23. Februar wird das interdisziplinäre Projekt »Sharper Than A Needle« samt Videokunst in den Münchner Kammerspielen aufgeführt. Weil allerdings eine vorab zugesagte Förderung des Projekts durch den Bund infolge der aktuellen Kürzungen ausfällt, versuchen die Künstler:innen nun ihr Vorhaben über ein Crowdfunding zu finanzieren. Denn obwohl Stephanie Müller zu den besten Textilkünstlerinnen der Welt gezählt wird, kann sie sich ihre Kunst nach eigener Aussage nur leisten, weil sie sich mit dem Künstler Klaus Erika Dietl ein 23 Quadratmeter großes Zimmer zum Wohnen teilt. ||

SHARPER THAN A NEEDLE
Kammerspiele – Therese-Giehse-Halle | 23. Feb. | 20 Uhr | Tickets: 089 23396600

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