Roman Polanski liefert mit der plumpen Sozialsatire »The Palace« seinen schwächsten Film.
The Palace
Genug gefeiert
Es ist eines der angsteinflößendsten Finale der Filmgeschichte: Mia Farrow sitzt in »Rosemaries Baby« an der Krippe ihres vom Teufel gezeugten Kindes. Eine von Paranoia gebrochene Frau, schicksalsergeben, umringt von Satanisten. Zuletzt schleicht sich ein liebevolles Leuchten in ihren Blick. Subtile Bilder der Verzweiflung, die Roman Polanski 1968 so behutsam wie kraftvoll eingefangen hat. Und »Rosemaries Baby« ist nicht Polanskis einziges Meisterwerk: »Tanz der Vampire«, »Chinatown«, »Der Pianist«, »Gott des Gemetzels« – bahnbrechende, zu Recht gefeierte Filme.
Im krassen Gegensatz dazu steht die Schlussszene von »The Palace«, dem neuen Film des französisch-polnischen Regisseurs. Man kann sie guten Gewissens hier verraten, denn sie trägt praktisch nichts zur Filmhandlung bei. Dort sehen wir einen magenkranken Hund, der einen schlecht animierten Pinguin bespringt. Hier ist jegliche Subtilität verschwunden. Wenn man über Roman-Polanski-Filme redet, stellt sich immer dieselbe Frage: Ist es möglich, die künstlerische Arbeit vom fragwürdigen Charakter des Künstlers zu trennen?
Schließlich liegt gegen den 90 Jahre alten Filmemacher in den Vereinigten Staaten ein Haftbefehl vor: 1977 wird er wegen der Vergewaltigung eines 13 Jahre alten Mädchens angeklagt. Nachdem er sich schuldig bekennt und 42 Tage im Gefängnis verbringt, flieht er ins Exil, wo er bis heute verweilt. Kann vor diesem Hintergrund ein neuer Film von Roman Polanski überhaupt neutral bewertet werden? Diese Frage wäre weitaus schwieriger zu beantworten, wenn »The Palace« ein guter Film wäre. Ist er aber nicht.
In einem Luxushotel in den Schweizer Alpen feiern die Reichen, Schönen und bis zur Unkenntlichkeit Gelifteten ins neue Jahr 2000. Händeringend versucht der Hotelmanager, so schleimig wie fad gespielt von Oliver Masucci, die Probleme seiner Gäste zu lösen. Da gibt es die reiche Adlige (Fanny Ardant), deren Chihuahua Verdauungsprobleme hat und überall Duftmarken hinterlässt. Ein Oligarch (John Cleese) verstirbt beim Sex mit seiner mindestens 70 Jahre jüngeren Frau, allerdings nicht bevor er ihr einen Pinguin zum Hochzeitstag schenkt. Und ein völlig desillusionierter, mit Selbstbräuner zugespachtelter Unternehmer (Mickey Rourke) sieht im Y2KBug seine Chance, das große Geld zu scheffeln. Eine Neujahrsfeier der Unsympathen.
Die Plumpheit von »The Palace« ist erdrückend. Unter dem Deckmantel unlustiger Altherrenwitzchen gaukelt Polanski eine Sozialsatire vor. Doch die Gegenüberstellung der reichen Gäste und des schuftenden Hotelpersonals langweilt schnell aufgrund ihrer simplen Formelhaftigkeit. Und so ertappt man sich zwischen zotigen Gags über Scheidenkrämpfe und Sexspielzeuge immer wieder beim Gedanken an Polanskis Person. Denn vor dem Hintergrund seiner Biografie bekommen die altbackenen Anzüglichkeiten einen besonders schalen Beigeschmack. Selbst wenn es einem gelänge, sich davon zu befreien und Kunst vom Künstler zu trennen: »The Palace« ist der schlechteste Film in Roman Polan´skis Karriere. ||
THE PALACE
Italien, Schweiz, Polen, Frankreich 2023 | Regie: Roman Polanski | Buch: Jerzy Skolimowski, Roman Polanski | Mit: Oliver Masucci, John Cleese, Fanny Ardant, u.a. | 100 Minuten | Kinostart: 18. Januar | Website
Weitere Filmkritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
DOK.fest München 2021 - wieder online!
Dead Girls Dancing: Regisseurin Anna Roller im Interview
Ponkie: Eine Erinnerung von Gabriella Lorenz
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton