Christian Stückl inszeniert Shakespeares »Was Ihr wollt« als neonbuntes Inselparadies mit lauter Verrückten.
Was ihr wollt
Durchgeknallt im Liebesrausch
Wenn in Shakespeares »Wintermärchen« Böhmen am Meer liegt, kann das balkanische Illyrien auch eine Südsee oder Karibikinsel sein. »Love« prangt in RiesenLeuchtlettern hinter einer Strandbar: die Bühne ein Farbschock in Pink-Rot-Orange von Stefan Hageneier. Gräfin Olivia und ihre Vertraute Maria platschen mit Neoprenanzügen und Schwimmflossen herein. Dort strandet die schiffbrüchige Viola und erblickt als Erstes Herzog Orsino. Auf Anhieb verknallt, bewirbt sie sich als Diener bei ihm – als Mann verkleidet. Orsino schmachtet nach der spröden Olivia, Viola, nun Cesario, muss den Liebesboten machen, und Olivia entflammt sofort für den androgynen Jüngling. Im Liebeskarussell traben noch zwei Pferdchen: Olivias Verwalter Malvolio träumt vom sozialen Aufstieg als Gatte der Herrin, der tölpelhafte Sir Andrew will mit Hilfe von Olivias versoffenem Onkel Toby die reiche Partie ergattern.
Christian Stückl hat hier seinen bisher lachlustigsten Shakespeare inszeniert, der strotzt vor Komik, Slapsticks und durchaus auch Klamauk. In der saloppen Übersetzung von Jens Roselt entfährt Olivia nach Cesarios Besuch: »Scheiße, ist der heiß!«, während Viola sich durch ihr Betragen »verarscht« fühlt. Und das Ensemble wirft sich genüsslich ins überdrehte Spiel. Köstlich, wie Liv Stapelfeldts Olivia und Luise Deborah Daberkows Maria im Doppelpack Viola ihre Identität raten lassen. Henriette Nagel mit schneidigem Zwirbelschnurrbart zieht sich diplomatisch aus der Affäre, aber insgeheim und abseits verzweifelt sie an ihrer Doppelrolle. Der Zuschauer zweifelt jedoch an ihrem Liebesgeschmack angesichts des lächerlichen Orsino: Jan Meeno Jürgens spielt ihn als selbstgefälligen Dandy im rosa Anzug mit Halbglatze. Der langhaarige Althippie und Kiffer-Toby (Alexandros Koutsoulis) stachelt den dummen Freier Andrew (Vincent Sauer) zu Mutproben an, die an seiner Feigheit scheitern. Olivia zieht alle Verführungsregister. Ihr enges Meerjungfrauenkleid nötigt sie zu ungelenken Hopsern über eine Treppenstufe, die Stapelfeldt zunehmend eleganter und schwungvoller hinlegt. Maria stellt dem eingebildeten Malvolio (Steffen Link im Pfadfinder-Look) eine böse Falle, die ihn bis auf die Knochen blamiert. Mit einem furiosen Strip entblößt der verblendete Hausmeister seine »gekreuzten Kniebänder« – ein Kabinettstück. Alle werden im Liebesrausch völlig irre, nur der Narr von Lorenz Hochhuth behält einen kühlen Kopf und hat für jede Stimmung den passenden Song parat. Er kann sich die Freiheit nehmen, auch mal an Olivias Zehen zu schlecken.
Um das Kuddelmuddel aufzulösen, bedarf es Violas Zwillingsbruder Sebastian (Jawad Rajpoot), den der Seemann Antonio (Cengiz Görür) aus dem Schiffbruch gerettet hat und heftig begehrt. Wenn dann nach etlichen Verwechslungen alles geklärt ist, kriegt jeder seinen Partner, nur halt nicht den, den er wollte. Die vorgeblichen Happy Ends in Shakespeare-Komödien haben ja immer einen faulen Kern. Was die Unterhaltung in dieser Inszenierung nicht im Mindesten trübt. ||
WAS IHR WOLLT
Volkstheater | Tumblinger Str. 29 | 23., 27., 28. Feb., 9. März | 19.30 Uhr | Tickets: 089 5234655
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