Die Kora-Künstlerin Sona Jobarteh wirft vieles über den Haufen. Das ergibt hinreißende Musik und Bewegung in der Szene.

Sona Jobarteh

Die Vermittlerin

sona jobarteh

Sona Jobarteh | © Bremme Hohensee

Die Moderne hat die Musik verändert. Man könnte jetzt ausholen, zurück zu Aufklärung und Romantik, zum Künstlermythos und dem Leistungsethos, zur Unterhaltungskultur und der Merkantilisierung eines früheren Gemeinguts. Fest steht: Die europäische Moderne trieb der Musik die Geister aus, veränderte Traditionen in Berechenbarkeiten und Rätselhaftes in Reproduzierbares mit dem Erfolg eines weltweit trotz vieler Krisen florierenden Business.

Spannend wird es, wenn dann jemand wie Sona Jobarteh auf der Bildfläche erscheint, eine Künstlerin, in der viele verschiedene kulturelle Stränge zusammenlaufen, die sich auf das moderne Erbe berufen. Man merkt es schon bei Wikipedia. Wo es üblicherweise genügt, einen Geburtsort mit Datum anzugeben und allerhöchstes noch in einem Halbsatz die Herkunft der Beschriebenen zu erwähnen, sind in ihrem Fall bereits mehrere Zeilen Eintrag nötig, um die familiären Zusammenhänge zu klären. Denn Jobarteh spielt Kora, die Königin der westafrikanischen Instrumente, und so eine Harfe nimmt man nicht einfach zur Hand. Sie wird, im Gegenteil, in Griot-Dynastien weitergereicht, üblicherweise an männliche Nachfolger, die mit den einzelnen Instrumenten auch deren Geschichte und Besonderheiten vermitteln, oft verbunden mit den Überlieferungen eines Stammes, einer Region, einer Kultur, deren Meistern und musikalischen Mustern.

Sona Jobarteh also kam 1983 in London als Spross einer der fünf großen westafrikanischen Griot-Familien zur Welt. Ihr Großvater Amadu Bansang Jobarteh wanderte einst von Mali nach Gambia aus, ihr Cousin Toumani Diabaté ist selbst ein Kora-Meister. Ihr Vater Sanjalla Jobarteh brachte ihr die Grundlagen des Instruments bei, ihr Bruder Tunde Jegede ist Produzent, Songwriter und klassischer Kora-Spieler, nur ihre englische Mutter Galina Chester stammt aus anderen Traditionslinien. Sona jedenfalls war schon als Kind so fest in der Musik verankert, dass sie erste Auftritte als Vierjährige spielte und die Bühne seitdem zu ihrem Leben gehört, sowohl in der klassisch europäischen Spielart als Gast von Orchestern als auch mit verschiedenen Projekten poppiger, jazzgetönter und eigener, westafrikanisch geprägter Provenienz. Sie studierte am Royal College of Music Cello, Klavier und Cembalo, setzte die Ausbildung mit Kompositionsstudium an der Purcell School of Music fort, komplettiert von einem Abschluss an der SOAS University in London. Vor allem aber bewegte sie sich schrittweise in das internationale Musikgeschäft hinein, spielte mit dem Irish Chamber Orchestra und dem Royal Philharmonic Orchestra, jedoch ebenso im Vorprogramm der Jazzdiva Cassandra Wilson, mit Damon Albarns Mali Music Project oder an der Seite von Oumou Sangaré, Toumani Diabaté und Ballaké Sissoko.

Schon durch diese umfassende Präsenz in der Szene und auch durch ihre Meisterschaft als Instrumentalistin, Sängerin und Komponistin hat Sona Jobarteh beiläufig, aber zugleich grundlegend einiges verändert. Sie ist die erste professionelle und anerkannte Kora-Spielerin in einer bislang männlich geprägten Familienwelt. Sie wurde in London sozialisiert, ohne die westafrikanischen Wurzeln zu vergessen, ist ausgebildete Musikerin im europäisch klassischen Kontext, aber ebenso traditionsgeprägte Meisterin des Griot-Universums. Sie schafft es, mit ihren Platten Elemente jahrhundertealter Überlieferungen mit den Darstellungs-, Stil- und Produktionsgewohnheiten der Gegenwart zu verknüpfen, ohne dass eine der Welten sich vernachlässigt fühlt. Sona Jobarteh bringt auf diese Weise nebeneinander existierende Geschichten zusammen, mit der Selbstverständlichkeit einer umfassenden Künstlerin.

Und das öffnet ihr inzwischen immer mehr Türen. Auf einem im vergangenen Jahr Album trifft man den Doyen der senegalesischen Gegenwartsmusik Youssou N’Dour an ihrer Seite, ebenso ihren Kora-Kollegen Ballaké Sissoko, den Fusion-Saxofonisten Kirk Whalum oder den jemenitischen Bluessänger Ravid Kahalani. Gesungen wird polyglott, der Sound klingt einerseits nach fein produziertem Edelstudio, vermeidet aber Klangklischees des World Pop und bleibt daher souverän in der Schwebe zwischen einst und heute. Denn Sona Jobarteh nützt geschickt den Freiraum, den sie als Pionierin hat. Sie schafft es, musikalisch die Zwänge der alten Moderne und auch die Enge eines abgeschlossenen Griot-Kosmos hinter sich zu lassen, ohne sich zugleich allzu verpflichtend an neue kulturschematische Vorgaben zu binden. Sie brüskiert nicht, sondern macht selbstbewusst ihr Ding im diffusen Gemenge vieler Ansprüche, mit Kora, Stimme und der Kraft der Besonderheit. ||

SONA JOBARTEH
Prinzregententheater | 16. Mai | 20 Uhr | Tickets: 089 54818181 | Website

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