Des einen Freud, des and’ren Leid – das Bayerische Nationalmuseum widmet der Straßenmusik eine Ausstellung.

Straßenmusik – Fahrende Musikanten und ihre Instrumente

Der Klang der Straße

straßenmusik

Die Zampogna, Sackpfeife auf Straßen Italiens | © Bastian Krack

Den Geschmack von Freiheit und Abenteuer vermitteln sie in Fußgängerzonen, Bahnstationen oder an anderen öffentlichen Orten, an denen sie anzutreffen sind, auch wenn sie statt Zigaretten eher Blasinstrumente an die Lippen führen. Straßenmusiker aller Nationen erfreuen (oder erregen) uns besonders in der wärmeren Jahreszeit mit ihren mehr oder weniger wohlklingenden Melodien. Das aber ist keine Erfindung unserer mobilen modernen Welt, sondern reicht weit in die Jahrhunderte bis ins frühe Mittelalter zurück, wie das Bayerische Nationalmuseum derzeit mit einer kleinen, aber erhellenden Studioausstellung verdeutlicht. Unter dem Titel »Straßenmusik – Fahrende Musikanten und ihre Instrumente« präsentiert das Museum die Kulturgeschichte der umherziehenden Spielleute. Unter anderem sind zu sehen: Sackpfeifen, Hackbretter, Drehleiern und -orgeln. Dazu erklären unterschiedliche Bildquellen, Figuren, Videos und – unbedingt reinhören! – Klangbeispiele die historische Dimension der Straßenmusik, über die man viel Unbekanntes erfährt. Wer kannte etwa schon den Egerländer Bock? Wer wusste, dass dieses Instrument eine aus Osteuropa stammende Form der Sackpfeife, also eine Art Dudelsack ist? Oder dass diese Dudelsäcke in ganz Europa verbreitet waren und dieser heute gebräuchliche Begriff nicht aus Irland oder Schottland, sondern aus Polen stammt und vom Wort »Dudy« (für Sackpfeife) abgeleitet ist?

Freilich – das ahnte man womöglich – waren die fahrenden Spielleute keine Popstars, die Arenen füllten, sondern eher mit ihren Kollegen von heute auf der Straße verwandt. Den romantisierenden, mitleidigen Blick der Wohlhabenden zeigen diverse Bilder, Zeichnungen, Drucke. Denn diese Musiker, über deren unterhaltsame Dienste man zwar zu Hochzeiten oder auf Märkten gerne verfügte, waren eine soziale Randgruppe, vom gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Zwar gab es einige wenige Künstler, die als Stadtpfeifer, Kirchen- oder Hofmusiker sesshaft wurden und ganz anständig leben konnten. Viele Gelegenheitsmusiker spielten allerdings für Almosen. So sank nicht nur das Ansehen dieser Musik, sondern auch die Wertschätzung ihrer Instrumente, die ursprünglich aus dem höfischen oder sakralen Bereich kamen. War im 17. Jahrhundert der Besitz einer Drehorgel noch ein Zeichen von Luxus, so wurde sie 100 Jahre später zum Bettlerinstrument. Ein Beweis: Einem Ausstellungsstück, das nun erst mal nicht als Mobilgerät designt worden war, hat man später einfach Tragegriffe angeschraubt. Und um sich abzugrenzen, gehörte es in adligen Kreisen immer mehr zum guten Ton, selbst zu musizieren, ein Instrument zu erlernen. Für die gehobene Hausmusik.

Die mechanische Serinette, auch Vogelorgel genannt, blieb aber wohlhabenden Kreisen zum Zeitvertreib erhalten. Der musizierende Apparat diente dazu, in Käfigen gehaltenen Kanarienvögeln ihr natürliches Gezwitscher abzutrainieren, um ihnen Flötentöne beizubringen. Das würde heute vermutlich den Tatbestand der Tierquälerei erfüllen.

Man erfährt auch, was es mit fahrenden Bergmannskapellen aus Sachsen und dem böhmischen Erzgebirge auf sich hat, die nach dem Niedergang der Bergarbeit als Musikanten mit ihren Cistern (das sind Zupfinstrumente) weite Reisen unternahmen. Auch aus Italien mitgebrachte und jetzt ausgestellte Andenkenfächer des 19. Jahrhunderts erzählen mit ihren Darstellungen Geschichten: Zwei Hirten spielen Zampogna und Ciaramella, also Sackpfeife und Schalmei. Sie und viele ihrer Kollegen strömten in der Vorweihnachtszeit aus den Bergen in die Städte, etwa auf den Petersplatz, um daselbst Almosen zu sammeln. Das verklärende Klischee vom unbeschwerten, ach so freien Musikantenleben entwickelte sich übrigens im 18. Jahrhundert wie auch die höfische Schäfermode. Die neue Wertschätzung der verpönten Instrumente führte dann zu neuen Luxusexemplaren für höhere Schichten. Und namhafte Komponisten integrierten Elemente ländlicher Tanzmusik in ihre Stücke. ||

STRASSENMUSIK – FAHRENDE MUSIKANTEN UND IHRE INSTRUMENTE
Bayrisches Nationalmuseum | Prinzregentenstr. 3
bis 31. März 2024 | Di bis So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr

Weitere Ausstellungsbesprechungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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