Philipp Moschitz schickt Feydeaus »Floh im Ohr« ins Fegefeuer von Ingolstadt.

Floh im Ohr

Die Hölle ist bunt

floh im ohr

Aufzug in die Hölle (Matthias Zajgier, Richard Putzinger, Judith Toth, Teresa Trauth, Lepold Lachnit) © Ludwig Olah

Was die da unten so treiben, davon wollen die da oben gar nichts wissen! – Oder doch? Als Raymonde Chandebise ein Päckchen mit den Hosenträgern ihres Mannes entdeckt, abgeschickt von einem zwielichtigen Etablissement namens »Zur zärtlichen Miezekatze«, ist ihr klar: Er betrügt sie! Und weil das Ganze eine Komödie von Georges Feydeau ist, nämlich »Floh im Ohr«, ist alles natürlich ein Missverständnis, bis zu dessen Aufklärung aber jede Menge Chaos und Verwirrungen über die Bühne gehen. Die vermeintlich Betrogene spinnt mit ihrer Freundin eine Intrige, um den treulosen Gatten in die Falle zu locken, und setzt damit eine Kettenreaktion an Emotionen und Verwechslungen in Gang. Man könnte sagen: Die Oberschicht macht sich auf den Weg in die Unterschicht, um sich selbst zu entlarven.

Philipp Moschitz hat das Stück nun in der Übersetzung von Elfriede Jelinek am Stadttheater Ingolstadt inszeniert, und er treibt die Oben-Unten-Konstellation auf die Spitze. Bei ihm gibt es oben den Himmel, unten die Hölle und dazwischen: das Fegefeuer in Ingolstadt (wo nun wirklich gar niemand landen möchte). Es ist eine sehr erstaunliche Setzung. Und eine, die erstaunlich gut funktioniert! Dort oben auf dem »Sky du Mont/Wolke 7« findet sich eine Gesellschaft zusammen, die den eigenen Heiligenschein auf Hochglanz poliert, der Scheinheiligkeit in ihrem Handeln aber nicht immer gerecht wird. Längst hat sich herumgesprochen, dass sich bei Petrus für 20 Silberlinge ein Alibi verschaffen kann, wer auf Abwegen unterwegs war. Am Ende finden sich trotzdem alle wieder zu einem himmlischen Gruppenbild zusammen, Götter sind schließlich auch nur Menschen. Moschitz spielt ein gewitztes Spiel, demontiert das Gegebene und findet neuen (Un-)Sinn im Altbekannten.

Der Bühnenbildner Thomas Flach hat einen Aufzug auf die Bühne gebaut, der die beiden Antipoden Himmel und Hölle direkt miteinander verbindet: die Leuchtanzeige kündigt Besuch aus der jeweiligen Gegenwelt an, das Drumherum zeigt an, wo man sich gerade befindet. Über den Wolken auf den Gipfeln der Berge oder im Höllenpuff. Die engelsgleich in Weiß gekleideten Himmelsbewohner*innen jedenfalls landen früher oder später alle in der Hölle, einige nicht zum ersten Mal. Jedem und jeder gibt Moschitz, der selbst ja auch Schauspieler ist, genug Individualität und Raum, um zu glänzen. Herrlich, wie Luca Skupin als Jesu Camille mit einem Sprachfehler kämpft und diesen »Gottessohn« als verletzlichen, aber willensstarken Jüngling zeigt. Wie Matthias Zajgier in seiner Doppelrolle als Gott und Höllenknecht brillieren kann oder wie Luiza Monteiro und Ivan Marković als temperamentvolles Ehepaar auf Spanisch aneinandergeraten.

Moschitz hat keine Angst vor Klamauk und freut sich diebisch über jeden Spaß. Klug seziert er die Beziehungen zwischen den Figuren, gibt jedem die nötige Portion Sympathie mit, aber auch einen guten Schlag Durchtriebenheit. Frech und ohne falsche Scham nähert er sich dem Thema, das doch im Grunde kein anderes ist als die Menschlichkeit mit all ihren Fehlbarkeiten und Schwächen. Das Ergebnis: eine göttliche Komödie. Dante hätte seine Freude daran. Vielleicht. Das Publikum jedenfalls hat sie. ||

FLOH IM OHR
Stadttheater Ingolstadt | 17. März, 8., 9., 21. April | 19.30 Uhr (So 19 Uhr) | Tickets: 0841 30547200

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