Dhafer Youssef hat sich vom Musiknomaden zum Stilbotschafter entwickelt. Mit neuem Programm macht er in München Station.

Dhafer Youssef in München

Die Reise der Oud

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Nur noch manchmal Nomade: Dhafer Youssef bringt Tunesien, Jazz und etwas Pop zusammen | © Sabine Hauswirth

Es waren wechselhafte Jahre. Als Dhafer Youssef in den späten Achtzigern seine tunesische Heimat verließ, wusste er selbst nicht genau, was ihm eigentlich vorschwebte. Musik sollte es am besten sein, aber eine echte Perspektive hatte er zunächst nicht. Youssef landete in Österreich, jobbte in Graz, zog weiter nach Wien, und da er ein kommunikativer Mensch war, dauerte es nicht lange, bis er mit Musikern der aktiven dortigen Jazzszene in Kontakt kam. Allerdings hatte er kein fertiges Konzept im Kopf, nur eine ungefähre Vorstellung davon, wie sein spezieller Sound klingen könnte. Die nordafrikanischarabische Gestaltungstradition gehörte dazu, mit lang sich aufbauenden Songdramaturgien, auch der eigenwillige karge Sound der Oud, den zur damaligen Zeit gerade Anouar Brahem und Rabih Abou-Khalil für die Jazzwelt entdeckten.

Außerdem wollte er singen, improvisieren, interessierte sich für Fusion-Rockiges und elektronische Klänge, für ziemlich vieles also, was sich in eine eigene Soundwelt würde integrieren lassen. Wien war ein guter Startblock für seine Passionen, bald aber zog er weiter in die Welt, nach Deutschland, Skandinavien und stoppte schließlich in den Nullerjahren sein künstlerisches Nomadentum. Dhafer Youssef ließ sich in Frankreich nieder, er hatte es geschafft, dass Platten wie »Electric Sufi« oder »Digital Prophecy« sowohl das Interesse der Fachwelt als auch das einer stetig wachsenden Fangemeinde erregt hatten. Im postmodernen Gemenge weltmusikalischer Stilangebote der Nullerjahre hatte er seine Nische gefunden, im Mittelfeld zwischen den Arabesken seiner Herkunft und der Pluralität jazzmusikalischer Offenheit.

Das Reisen wurde weniger, es verwandelte sich in Reflexion. »Street of Minarets« nennt Dhafer Youssef daher sein neues und Ende Januar erscheinendes Album, für das er zahlreiche Vorbilder und Freunde als künstlerische Gäste gewinnen konnte. Amerikanische Jazz-Seniorkoryphäen wie Herbie Hancock, Marcus Miller, Dave Holland und Vinnie Colaiuta gehören zum Team, jüngere Experimentatoren wie der Trompeter Ambrose Akinmusire oder auch Stilgrenzgänger wie der Gitarrist Nguyên Lê. Auf Tournee allerdings begibt sich diese Studio-Edelmannschaft nicht, dafür sind junge europäische Kollegen wie der Trompeter Miron Rafaelovic und der Pianist Daniel Garcia mit von der Partie, wenn Dhafer Youssef am 4. Februar mit Quintett im Prinzregententheater Station macht. Es ist eine für seine Verhältnisse beinahe wieder traditionelle Besetzung, ohne Elektroniker wie einst Eivind Aarset an seiner Seite, dafür im Jazzsetting alter Schule. Und so sehr sich die neuen Kompositionen des »Street Of Minarets«-Programms am Thema Reisen orientieren, so klar verweisen sie auch auf der anderen Seite auf einen Musiker, der nach Hause kommen will. In mancher Hinsicht hat Dhafer Youssef heute gefunden, was ihn einst in die Ferne getrieben hatte, die Freiheit des individuellen, ein wenig freaky überdrehten Ausdrucks auf der Basis mindestens einer starken kulturellen Überlieferung. ||

DHAFER YOUSSEF QUINTET: STREET OF MINARETS TOUR
Prinzregententheater | 4. Feb. | 20 Uhr | Tickets: 089 54818181

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