Philipp Arnold inszeniert Heinrich Bölls »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« im Volkstheater.

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Eine Frau wehrt sich

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Katharina Blum (Ruth Bohsung) empfängt den Boulevardjournalisten (Julian Gutmann) © Gabriela Neeb

Als 1974 Heinrich Bölls Erzählung »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« erschien, war die Hatz auf die RAF-Terroristen in vollem Gange. In diese Mühle ließ Böll seine unwissende Protagonistin Katharina geraten – und damit in die sensationsgierigen Klauen der größten deutschen Boulevard-Zeitung. Er hatte selbst einen Shitstorm der »Bild«-Zeitung überstanden und wollte deren menschenvernichtende Mechanismen aufzeigen. Heute leisten das die sogenannten Social Media in viel kürzerer Zeit und mit viel größerer Reichweite. Das will Philipp Arnold in seiner Volkstheater-Inszenierung »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« zeigen.

Katharina Blum, eine 27-jährige Haushälterin, hat sich auf einem Karnevalsball verliebt und dem Liebhaber nach einer gemeinsamen Nacht die Flucht ermöglicht. Er werde als Deserteur von der Polizei verfolgt, sagte er. Sie weiß nicht, dass er wegen Raubmordes und als Terrorist gesucht wird. Das erfährt sie erst, als sie am nächsten Tag von der Polizei verhört wird. Gegenüber dem Kommissar Beizmenne (Jonathan Müller) und seinem unterwürfigen Assistenten Moeding (Max Poerting) beharrt Katharina stur auf präziser Wortwahl, wenn der schmierige Kommissar aus »Zudringlichkeiten« früherer Arbeitgeber »Zärtlichkeiten« machen will. Die junge Frau hat sich aus prekären Verhältnissen rausgeschafft und arbeitet bei einer angesehenen Anwaltsfamilie. Am nächsten Tag erscheint ein verleumderischer Zeitungsbericht, der wörtlich aus dem Polizeiprotokoll zitiert, sie zum Gangsterliebchen und zur Mitverdächtigen macht. Ihre Wohnung wird belagert von Paparazzi, der Journalist Tötges (Julian Gutmann wirkt hübsch harmlos) verfälscht Äußerungen ihrer Arbeitgeber ins Negative, Katharina ist zum Abschuss freigegeben.

Ruth Bohsung, neu im Ensemble, bringt für diese taffe Katharina Trotz, Verletzlichkeit und wehrhafte Stärke mit. Warum Regisseur Arnold ihr mit Nina Steils ein Alter Ego zugesellt, erklärt seine Inszenierung leider nicht, sondern erst Sigmund Freud im Programmheft: Der Doppelgänger als Schutz des Ichs vor Auslöschung. Auf der Bühne agieren beide ohne Beziehung zueinander. Der Journalist will das »Blümelein« Katharina dann zur großen Homestory erpressen – sein Pech.

Viktor Reim baute auf die Drehbühne drei Räume: Katharinas Wohnung, den Verhörraum, und eine Art Studio-Set mit merkwürdig kostümierten Gestalten. Da schäkert ein Lauch mit einem Krokodil im Tüllröckchen (Kostüme: Julia Dietrich). Darüber riesige Schwarzweiß-Videos eines verliebten Pärchens, sie mit Eulenmaske, er mit etwas Totenkopf-Ähnlichem. Dass das der verhängnisvolle Karnevalsball ist, kapiert man erst später. Regisseur Arnold hält seine Schauspieler unterkühlt temperiert, Gefühle werden höchstens angedeutet. Ihm geht es um die Mechanismen der Social Media. Das lässt auch die Aufführung reichlich kopflastig und distanziert wirken. ||

DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM
Volkstheater | Tumblingerstr. 29 | 5. Okt., 1. Nov. | 19.30 Uhr
Tickets 089 5234655

Weitere Theaterkritiken gibt es in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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