»Das Glücksrad« erzählt in drei Kurzgeschichten von der Schönheit der Konversation und des Zufalls. Ab heute im Kino!

Das Glücksrad

Poesie des Redens

Das Glücksrad

Der Zufall treibt in »Das Glücksrad« seltsame Blüten © 2022 Film Kino Text

Um es gleich vorwegzunehmen: Mit »Das Glücksrad« hat der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi ein weiteres Meisterwerk geschaffen. Und man kann über seine Produktivität nur staunen. Der Film feierte letztes Jahr Weltpremiere auf der Berlinale und gewann den silbernen Bären. Keine drei Monate später lief sein nächster Film »Drive My Car« im Wettbewerb der internationalen Filmfestspiele in Cannes und gewann dort den Preis für das beste Drehbuch. Im März folgte der Oscar für den besten internationalen Film. Für dieses Jahr ist auch schon sein nächster Film angekündigt.

Während Hamaguchi in »Drive My Car« eine Kurzgeschichte von Japans Bestsellerautor Haruki Murakami über einen verwitweten Theaterschauspieler verfilmte, sind es in »Das Glücksrad« drei von ihm für den Film geschriebene Kurzgeschichten, die den Launen des Zufalls nachspüren und gleichzeitig der Schönheit der Konversation frönen. Bereits die erste Geschichte macht das auf beeindruckende Weise. »Ich wusste nicht, dass Gespräche so erotisch sein können. Wir haben uns nur mit unseren Worten gestreichelt«, schwärmt Tsugumi vom ersten Date mit einem Mann. Es blieb auch nur beim Reden, versichert sie ihrer Freundin Meiko, mit der sie im Taxi sitzt und durch das nächtliche Tokio fährt. Es stellt sich jedoch heraus, dass der Traummann ausgerechnet Meikos Ex-Freund ist, der sie vor zwei Jahren verlassen hat. Meiko weiß nicht recht, was das in ihr auslöst. Ist es Eifersucht oder sind es verborgene Gefühle für ihn, die wieder zum Vorschein kommen?

Hamaguchi braucht nur wenig, um seine Geschichten zu entfalten und die Figuren wie in einem Kammerspiel in den klugen und tiefsinnigen Dialogen versinken zu lassen. In der zweiten Episode sind es zwei kurze Szenen, die die Rahmenhandlung in Gang setzen, und schon steht die verheiratete Nao in der Tür des renommierten Schriftstellers und Literaturprofessors Segawa, um ihn, angestiftet von ihrem enttäuschten Liebhaber, zu verführen. Das Vorhaben schlägt aber eine gänzliche andere, für sie unvorhergesehene Richtung ein. In der letzten Geschichte hat ein Computervirus das digitale Leben lahmgelegt. Es werden wieder Briefe geschrieben und Filme auf DVD geschaut. Auf der Rolltreppe einer S-Bahn-Station begegnen sich Nana und Moka. Beide meinen, sich wiederzuerkennen, halten sich jedoch für jemand anderen. Die Erinnerung ist fehlerhaft, täuscht beide. Doch aus der intensiven Konversation entsteht ein Spiel. Sie tun so, als ob sie die jeweils andere Person wären. Dadurch bekommen lang verschüttete Sehnsüchte bei beiden wieder einen Raum.

»Das Glücksrad« zelebriert die Poesie der Konversation und die Zufälligkeiten des Lebens so feinfühlig wie leichtfüßig. Wir Menschen werden tagtäglich mit Situationen konfrontiert, die wir uns nicht aussuchen können. Die Kunst ist es, das Glück darin zu suchen und zu finden. Denn das Leben ist ein Spiel mit dem Zufall und oft genug sind es nur wir alleine, die an unserem Glücksrad drehen. Das zeigt Hamaguchis Film auf vortreffliche Weise. ||

DAS GLÜCKSRAD
Japan, 2021| Regie & Drehbuch: Ryûsuke Hamaguchi | Mit: Kotone Furukawa, Aoba
Kawai u.a. | 121 Minuten | Kinostart: 1. Sept.
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