Die Diskussion um das Hochhaus an der Paketposthalle erhitzt schon seit Längerem Münchens Gemüter. Im Spot unserer Sommerausgabe haben wir unterschiedliche Ideen und Perspektiven gesammelt. Hier die Position des Architekten, Autoren und Journalisten Wolfgang Jean Stock. Mehr finden Sie in unserem PDF. Mehr finden Sie in unserem PDF. Hier geht es zum Kiosk.

Hochhaus an der Paketposthalle?

Gegen die Hochhausplanung auf dem Paketpost-Areal

Paketposthalle

Der Entwurf für das Paketpost-Areal von Herzog & de Meuron: zwei durch zwei Aufzüge verbundene Türme – ein transparenter, absurd eleganter Stein des Anstoßes | © Herzog & de Meuron

Es ist ja kein Wunder, dass die Debatte über die geplanten Hochhäuser auf dem Paketpost-Areal seit nunmehr drei Jahren so heftig geführt wird. Bei diesem Projekt bündeln sich alle Probleme aktueller Stadtentwicklung: Städtebau und Stadtbild, Denkmalschutz, Dominanz von Investoren, Schwäche der kommunalen Politik, Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Im Kern geht es bei der Debatte um die Frage, wer die Entwicklung bestimmt: ein Investor – oder die Bürgerschaft. Kritisch hinterfragt wird auch die Rolle der »Stararchitekten« Herzog und de Meuron, die sich um München bislang verdient gemacht haben: besonders durch die Fünf Höfe und die Fußballarena. Im Vergleich dazu ist es geradezu jämmerlich, was sie für das Hochhauspaar an der Paketposthalle vorschlagen: Im überarbeiteten Entwurf sind es nun zwei klobige Bolzen mit albernen Schrägaufzügen. Interessant dabei ist, dass die neue städtische Hochhausstudie an diesem Ort gar keine Hochhäuser vorsieht.

Gestritten wird vor allem über das bisherige Verfahren – und das zu Recht. Ist es denn in Ordnung, dass die Stadt München auf einen vom Investor bestellten »Masterplan« nur reagieren kann, noch dazu mit der erpresserischen Ansage von Ralf Büschl: So oder gar nicht? Ist es nicht die Aufgabe einer demokratischen Planung, dass zuerst die Stadt den städtebaulichen Rahmen festlegt, auf den dann Investoren reagieren können? Leider hat der Stadtrat bereits im Herbst 2019 voreilig das Genehmigungsverfahren für die Büschl-Planung eingeleitet. Aufgeschreckt durch die wachsende Kritik aus Bürgerschaft und Fachwelt, unter anderem vom Landesdenkmalamt und vom Münchner Forum, gab die inzwischen grün-rote Stadtregierung ein »Bürgergutachten« durch 112 zufällig ausgewählte Münchner Menschen in Auftrag. Dieses Format hat die Gemüter aber nicht beruhigt, weil es mehr als fragwürdig war. Nicht nur beklagten Teilnehmer, auch im Bayerischen Fernsehen, die dubiosen Umstände. Eine »zufällig« erfolgte Meinungsbildung von derart wenigen Menschen ist nicht repräsentativ und kann die politische Verantwortung der Stadtspitze nicht ersetzen.

Paketposthalle

Auffallend an der bisherigen Debatte ist die magere Sachkenntnis der politischen Akteure. Deutlich wurde dies vor einigen Wochen erneut beim Hochhaus-Podium der »Abendzeitung«. Die Münchner SPD gibt sich noch immer der Illusion hin, ausgerechnet in den sündteuren Hochhaustürmen bezahlbaren Wohnraum erreichen zu können. Und die grüne Bürgermeisterin Katrin Habenschaden plauderte über angeblich ökologische Hochhäuser, von denen sie offensichtlich nur Bilder kennt. Besonders die von ihr genannten Mailänder Bauten »Bosco Verticale« (Bäume und Sträucher auf den Terrassen) gelten in der Fachwelt wegen des enormen technischen Aufwands als unökonomisch und unökologisch. Die Politik sollte die Wissenschaft zur Kenntnis nehmen: Thomas Auer, Professor für nachhaltiges Bauen an der TU München, hat in der »SZ« betont, dass über 60 Meter hohe Gebäude grundsätzlich nicht klimagerecht sein können.

Ja, in München muss künftig flächensparender und höher gebaut werden – in der Messestadt Riem wurde dies leider versäumt. Riesige Wohnhochhäuser mit all ihren negativen Folgen sind aber keine Lösung. Selbst Jacques Herzog sagte ja im »SZ«-Interview: »Es gibt sicher Gründe, die dafür sprechen, dass man aus ökologischen Gründen weniger hoch baut.« In München zeigt ein Klassiker, wie man Dichte und Lebensqualität, Urbanität und gutes Mikroklima unter einen Hut bringt: die Borstei mit ihren großzügigen Grünflächen. Welchen Ausweg aus der beim Paketpost-Areal verfahrenen Situation gibt es? Die Stadt muss vom »Masterplan« des Investors mitsamt den leeren Versprechungen für die Nutzung der Paketposthalle Abschied nehmen und einen städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben – ganz so, wie es der renommierte BDA Bund Deutscher Architektinnen und Architekten München-Oberbayern fordert. Wenn dann alternative Entwürfe vorliegen, kann der Stadtrat unter Beteiligung der – wohlgemerkt – betroffenen Bevölkerung eine Entscheidung treffen, die nicht zuletzt das Stadtbild respektiert. Kurzum: Der Planungsprozess muss endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden. ||

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