Neun Münchner Jugendliche suchen auf dem Weg zum »Treffpunkt im Unendlichen« in der Schauburg nach dem richtigen Gefühl für sich selbst.

Treffpunkt im Unendlichen

Zukunft zu verteidigen

Treffpunkt im Unendlichen

Nur banale Lebensaussichten für die Jungen (Ensemble)? | © Cordula Treml

»München, Mitte der 20er Jahre« leuchtet es zu Beginn als Projektion über der Bühne der Schauburg, auf der sich neun Jugendliche mit Unterstützung der Regisseurin Ulrike Günther zum »Treffpunkt im Unendlichen« versammelt haben. Da schwingen die Roaring Twenties des letzten Jahrhunderts mit, in denen Klaus Mann, Autor des titelgebenden Romans, und seine Clique sich als Künstler erproben und am Leben verzweifeln, kurz bevor sich der Abgrund der Naziherrschaft vor ihnen auftut. – Das Buch muss man allerdings nicht unbedingt gelesen haben. Vor allem geht es um die krisengeschüttelte Gegenwart, die den Jungen von heute vor lauter brennenden Problemen kaum Zeit zum Atmen lässt – unter dem Erwartungsdruck von Erwachsenen, die selbst nicht mehr weiter wissen, und vor Angst, die eigenen Träume nicht mehr leben zu können. In verschiedenen Probenphasen haben sie dazu diskutiert, Ideen gesammelt, eigene Texte verfasst und die passenden Songs aus ihren Playlists zusammengesucht. Wie wird man wohl später von diesem Jahrzehnt sprechen? Wird es wieder der Auftakt zu noch größeren Katastrophen gewesen sein? Oder vielleicht doch ein Aufbruch in eine solidarische Welt?

Am Anfang herrscht erst einmal hektische Betriebsamkeit unter dem Schriftzug »Hauptbahnhof«, der sich später in einen »Tanz-« und schließlich in einen »Hoffnungshof« verwandeln wird. Annika Lohmanns Kostüme verströmen zunächst noch das Flair des Art déco, während Werbebotschaften wie »Just do it« oder »Don’t be a May be!« den harten Beat der Jetztzeit einhämmern. Und dann geht es los mit einer wilden Achterbahnfahrt durch die Gefühlslagen einer von Corona & Co heimgesuchten Generation »Pech gehabt«, die sich trotz aller Widrigkeiten keineswegs verloren gibt.

Mit einer wütenden Aufzählung all der banalen Lebensaussichten – schuften fürs Reihenhaus und für die Rente und danach nur noch tödliche Langeweile – verschafft sich Paula Distler erst einmal Luft, um dann cool aus der Hüfte heraus nachzuschießen: »Und bei euch so?« Titus Schumacher ist der smarte Karrierist (entfernt verwandt mit dem Schauspieler Henrik Höfgen, den Klaus Mann in seinem späteren Roman »Mephisto« mit den Naziteufeln tanzen ließ) – geschmeidig und zu jeder Anpassung bereit, wenn sie nur dem eigenen Triumph dient. Aber ist dieses Siegenwollen nicht eigentlich auch nur ein schwaches Müssen? So wie die Influencerin (Hannah Werner) sich für die Aufmerksamkeit ihrer Follower abstrampelt, bis sie plötzlich nicht mehr ins angesagte Schema »passt«.

Elias Elfahim packt seine Selbstzweifel und den ganzen Überdruss anrührend und gesanglich stark in einen Song von AnnenMayKantereit. Kurz darauf schwappt dann die Pandemie als blauer Albtraum über die Bühne, durchkreuzt erst mal alle Pläne und mündet in Burn-out und Depression, die Ruta Mohilnik mit ausdrucksstarken Kreidestrichen als erst junges, dann rasch zum Totenkopf alterndes Gesicht unter einem Overheadprojektor zeichnet. Zusammen mit ihrer Schwester, die mit Gitarre auftritt, lebte die Ukrainerin bereits vor dem Krieg in München, beide wurden wie alle Mitwirkenden im November 2021 für das Projekt gecastet. Und wie Pelagea Mohilnik jetzt über Freiheit spricht, lässt aufhorchen: Nicht nur die ihres Heimatlands ist ihr wichtig, sondern sie bedeutet ihr auch, nicht befangen zu sein, keine Angst zu haben, nicht das zu erfüllen, was andere von ihr erwarten, und ehrlich mit sich selbst zu sein. »Das ist wohl das Schwierigste, oder?«, fragt sie in den Zuschauerraum hinein. Doch genau dies und die tolle Energie, die dabei entsteht, zusammen etwas zu schaffen, vermitteln alle, die an diesem Abend gemeinsam auf der Bühne stehen, noch über ihr Talent hinaus und machen damit wirklich Mut, dass diese Generation sich ihre Zukunft nicht nehmen lassen wird. ||

TREFFPUNKT IM UNENDLICHEN
Schauburg | 17. Juli | 18 Uhr | 18. Juli | 11 und 19 Uhr
Tickets: 089 23337155

Weitere Theaterkritiken gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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