Mit der Literaturverfilmung »Funeral for a Dog« hat der Münchner Regisseur David Dietl seine erste Serie inszeniert. Deren Story ist zwar erfunden, aber wahrhaftig, da sie auch zahlreiche autobiografische Züge trägt. Wir sprachen mit dem Filmemacher.
Funeral for a Dog
»Das Thema Verlust war sehr präsent in meinem Leben«
Mit der Adaption von »Bestattung eines Hundes«, dem gefeierten Debütroman von Thomas Pletzinger, erzählen Sie, in Co-Regie mit der österreichischen Filmemacherin Barbara Albert, eine epische Dreiecksgeschichte – nicht gerade ein gängiger Stoff für eine Serie.
Das ist richtig. Man muss dazu auch sagen, dass das Projekt alles andere als ein Selbstläufer war. Es war im Vorfeld nicht leicht, den geeigneten Partner zu finden. Und dann waren es letztendlich unsere Co-Produzenten von Sky, die sich ganz bewusst von den Stoffen absetzen wollten, die üblicherweise derzeit realisiert werden. Somit hatten wir die Freiheit, nicht diesen Rhythmus anschlagen zu müssen, den viele andere Serien momentan vorgeben. Zudem beginnt mittlerweile fast jede Serie mit dem Ende, damit wirklich auch jeder weiß, was ihn jetzt noch erwartet.
Tatsächlich lassen Sie den Zuschauer in den ersten drei Folgen von »Funeral for a Dog« in totaler Verwirrung zurück. Es ist wahrlich nicht leicht, den Figuren bei ihrer Selbstfindungsreise, die sie von Kolumbien über New York, München und Finnland schließlich nach Italien führt, zu folgen.
Das Schöne daran ist, dass es sich auszahlt, wenn man bis zum Ende guckt. Wir haben ganz bewusst am Anfang viele Fragen aufgeworfen, in der Hoffnung, dass der Zuschauer dranbleibt und diese beantwortet bekommt. Und es ist ja wirklich so, dass sich alles aufdröselt, wenn man »Funeral for a Dog« bis zum Ende schaut.
Die auf acht Teile angelegte, auch dank der Schauplätze bildgewaltige Serie erinnert thematisch natürlich sehr an François Truffauts unübertroffene Ménage a trois mit Jeanne Moreau, Oskar Werner und Henri Serre, von der er in »Jules und Jim« aus dem Jahre 1962 erzählt. Wo haben Sie sich Inspiration geholt?
Barbara Albert, Frank Griebe (Kameramann u.a. von Tom Tykwers »Babylon Berlin« und »Das Parfüm«, Anm. d. Red.) und ich haben viele Filme gemeinsam gesichtet. Dabei habe ich gemerkt, dass die beiden über ein viel größeres Filmwissen verfügen als ich. Aber das habe ich dann heimlich aufgeholt (schmunzelt). Neben zahlreichen Werken der Nouvelle Vague haben uns unter anderem die Filme von Alfonso Cuarón, insbesondere »Y Tu Mamá Tambièn – Lust for Life«, und Alejandro González Iñárritu, hier »Amores Perros«, fasziniert.
Weil wir gerade bei Inspiration sind: In »Funeral for a Dog« wird immer wieder ein finnischer Tango leitmotivisch eingespielt, dieser erinnert an die Werke des Kultregisseurs Aki Kaurismäki, etwa an »Schatten im Paradies« mit Matti Pelonpää und Kati Outinen.
Barbara Albert ist ein großer Fan von Kaurismäki. Deshalb wollte sie auch unbedingt die Finnland-Folge drehen und Kati Outinen als Mutter von Alina Tomnikovs Charakter Tuuli besetzen. Das wäre ein schöner Move gewesen. Sie hatte auch schon zugesagt, aber Corona, das uns leider das ganze Projekt lang verfolgte, machte uns einen Strich durch die Rechnung. Wir mussten dann zwar kurzfristig umbesetzen, haben aber in Anu Sinisalo einen mehr als adäquaten Ersatz gefunden.
In der von den wunderbaren Schauspielern Friedrich Mücke, Alina Tomnikov und Daniel Sträßer getragenen Geschichte heißt es einmal, sie sei vielleicht erfunden, aber wahrhaftig. Inwieweit spielten hier autobiografische Erfahrungen eine Rolle?
Eine ganze Menge. Deswegen hat mich der Stoff auch so gereizt. Ich selbst war 1998 in Südamerika mit einem guten Freund unterwegs und wir haben uns dort in dieselbe Frau verliebt. Da konnte ich also sehr gut andocken. Deshalb wollte ich auch unbedingt die ersten zwei Folgen inszenieren. Und dann war ich tatsächlich kurz nach 9/11 in New York und habe erlebt, was das mit den Menschen dieser Stadt gemacht hat. Und drittens habe ich vor mittlerweile sieben Jahren meinen Vater verloren, und während der Drehzeit ist vor eineinhalb Jahren auch noch mein Stiefvater verstorben. Das heißt, das Thema Verlust und wie man damit umgeht, war zuletzt sehr präsent in meinem Leben.
Sie haben gerade Ihren Vater erwähnt, Helmut Dietl, Schöpfer bahnbrechender Serien wie »Münchner Geschichten«, »Kir Royal« oder »Monaco Franze – Der ewige Stenz«. Glauben Sie, er hätte an »Funeral for a Dog« Gefallen gefunden?
Das ist eine Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Ich möchte meinen, dass es ihm gefallen hätte, obwohl es von seiner Art der Erzählung weit weg gewesen wäre. Aber das Thema hätte ihn sicherlich interessiert. Das Schöne für mich an »Funeral for a Dog« war außerdem, dass unser Kameramann Frank Griebe bei dem letzten Film meines Vaters mit ihm zusammengearbeitet hat. Das war 2012 bei »Zettl« …
…der ja leider im Kino total untergegangen ist.
Das stimmt. Aber ich hoffe, dass er irgendwann noch einmal neu betrachtet wird. Denn mein Vater war da wohl seiner Zeit weit voraus. So wie er diesen Politikbetrieb betrachtet hat, das konnten sich die Leute damals nicht vorstellen, die fanden das alles übertrieben. Man muss sich »Zettl« einfach erneut ansehen. Dann wird man erkennen, dass er an der Wahrheit schon sehr nah dran war.
Helmut Dietl hat seine größten Erfolge mit seinen Serien in bairischer Mundart gefeiert. Ihr neues Projekt passt da nun perfekt ins Bild.
Ja, es behandelt die Zeit des FC Bayern zwischen 1963 und 1974, angefangen mit Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Gerd Müller, die die Bayern aus der Regionalliga in die Erste Liga geführt haben, bis hin zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister. Für mich als Bayern-Fan ein absolutes Herzensprojekt und zudem der erste Stoff, der in München angesiedelt ist und in dem Mundart gesprochen wird.
Wird es ein Kinofilm?
Nein, wir haben es als sechsteilige Serie konzipiert.
Schon lange spricht man ja davon, dass die Serien das neue Kino sind. Ist das Kino also tot?
Nein, es lebt. Barbara dreht gerade einen Film für die Leinwand, und ich werde nach der Bayern-Serie ebenfalls einen Kinofilm realisieren. Generell habe ich das Gefühl, dass die Menschen wieder mehr ins Kino gehen. Aber ich befürchte, dass es nicht mehr dahin zurückkehren wird, wo es vor der Pandemie war. Das hat jedoch nichts mit der Angst zu tun, sich anzustecken, die Fußballstadien sind ja auch wieder voll, sondern vielmehr mit einer gewissen Gewöhnung und dem tollen Angebot der Streamingdienste. ||
FUNERAL FOR A DOG
Deutschland 2022 | Regie: David Dietl, Barbara Albert | Mit: Friedrich Mücke, Alina Tomnikov, Daniel Sträßer u.a. | 360 Minuten | Bei SkyAtlantic sowie auf Sky Ticket und über Sky Q auf Abruf
Weitere Film- und Serien-Artikel finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
»Benedetta« von Paul Verhoeven: Ab heute im Kino!
»First Cow«: Der Film von Kelly Reichardt bei MUBI
Ein ganzes Leben: Der neue Film von Hans Steinbichler
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton