Das Netzwerk explore dance – Tanz für junges Publikum geht mit einer kleinen Gastspielreihe in die Verlängerung.

explore dance im HochX

Und alles, alles schwingt!

explore dance

Jenny Beyers »Suite« | © Thies Rätzke

Tanz, Musik und eine fragile Installation gehen in Jenny Beyers »Suite« miteinander auf Tuchfühlung. Und alles, alles schwingt. Die mit tönenden Würfelchen bestückte Deckenkonstruktion über dem mit weißem Tanzboden ausgelegten Rund, Saiten und Korpus des von Lea Tessmann gespielten Cellos und die Körper der beiden Tänzer*innen. Das Stück für Kinder ab sechs Jahren ist ein Versuch, Musik sichtbar und Tanz hörbar zu machen. Im November, bei der Premiere auf Kampnagel, vibrierte von diesem Versuch die ganze weite Halle. Ab dem 19. Mai wird man wissen, wie das im wesentlich kleineren HochX funktioniert, wo »Suite« eine lose Gastspielreihe eröffnet, in der auch die in Potsdam entstandene Audiotour »Ohren sehen« der Schweizer Choreografin Lea Moro zu erleben ist, die sehende und blinde Kinder die Perspektive einer Wolke oder eines Erdwurms einnehmen lässt. In- und outdoor geht es hinein in die Sinnenwelt des (Sub-)Urbanen. Auch die in Tel Aviv und München geprobte Produktion »PayPer Play« von Andrea Costanzo Martini kommt mit einem guten Jahr Verspätung zur München-Premiere: Es ist ein Stück über Wünsche geworden, das mit fast clownesker Körperkomik in und mit einem Raum aus Pappe spielt.

Die Reihe, zu der auch ein schulinternes Pop-up, Workshops und Vermittlungsformate gehören, ist eine kleine Leistungsschau des Tanznetzwerks explore dance. Der Zusammenschluss von K3 | Tanzplan Hamburg, fabrik moves Potsdam und des Münchner Partners FOKUS TANZ – Tanz und Schule e.V. bringt seit 2018 gefördert von TANZPAKT Stadt Land Bund etablierte Choreografen und Tänzer teils erstmals mit jungem Publikum zusammen, das auch in die Entstehung der Stücke eingebunden ist. Weil explore dance den zeitgenössischen Tanz für Kinder und Jugendliche anerkanntermaßen besser, zugänglicher und sichtbarer macht, wurde die Förderung nach der 2021 auslaufenden Pilotphase unlängst um weitere zwei Jahre verlängert. In der neuen Phase mit Fokus auf pandemieresistentere Pop-ups tritt ab Juli auch HELLERAU – das Europäische Zentrum der Künste in Dresden dem dann vier Städte und Länder verbindenden Produktionsnetzwerk bei, zu dem jeder Partner jährlich zwei neue Stücke beisteuert.

Für München werden die nächsten Kreationen von der jungen, aus Israel stammenden Choreografin Rotem Weissman und von Sahra Huby kommen, die man vor allem als großartige Tänzerin im Team von Anna Konjetzky kennt. Hubys elektrisierendes Solo »Move More Morph it!« war eines der ersten explore-dance-Stücke, die mittlerweile ein breites inhaltliches und künstlerisches Spektrum abdecken, alle professionell und idealerweise so nahbar sind wie die Arbeiten von Jenny Beyer. Die Hamburger Choreografin kreiert seit Jahren Performances, die durch unterschiedliche Tanzstile und -traditionen zappend Kontakt zu ihrem Publikum suchen. Und auf der Bühne fängt das Sich-Öffnen an. In »Suite« sieht man förmlich, wie nach anfangs zaghaften Blicken und tapsenden Berührungen die Hemmschwelle sinkt. Die Performer packen einander am Wickel und walken einander ordentlich durch zu den warmen bis knarzenden Tönen von Bachs Cello-Suiten, die auch ihre Körper erfassen. Joel Donald Small tanzt eine herrlich wüste, vermeintlich ungelenke Slapstickiade, wie man sich das sonst allenfalls zu Hause traut – und gerne ohne Spiegel. Jenny Beyers eigener Körper schlägt weite ulkige Wellen und bleibt doch nah am schönen Tanz, dem man seinen Ursprung im Ballett noch ansieht. Damit eröffnet der 35-Minüter einen Raum der Möglichkeiten ohne Richtig und Falsch, in dem Kinder sich trauen, es auch selbst mal auszuprobieren mit dem Tanzen – oder zumindest mit dem Mithibbeln und -swingen. ||

SUITE | 19.–21. Mai || PAYPER PLAY | 24.–26. Mai || OHREN SEHEN | 1.–3. Juni || HochX | Entenbachstraße 37
Info und Tickets

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