Das EnsembIeprojekt »Heidi weint« hinterfragt den Perfektionsanspruch von »GNTM«.

Heidi weint

Glitzern und Stolpern

heidi weint

Johanna Kappauf, Julia Gräfner und Sebastian Brandes weinen nicht | © Judith Buss

»Liebe Heidi Klum, … ich bewundere Dich und gleichzeitig verspüre ich ein großes Bedürfnis, Dich zum Weinen zu bringen. … Weil ich daran glaube, dass Schwäche zu zeigen, und Leben, glücklich machen kann.« Dieser Brief der Co-Autorin Julia Weber steht im Programmzettel und ist der Ausgangspunkt für »Heidi weint – Eine Gefühlsversammlung« im Werkraum. Inklusion schreiben die Kammerspiele ganz groß, deshalb hat hier ein Ensemble aus behinderten und nichtbehinderten Darstellern sich mit eigenen Texten und Ideen dem Perfektionsanspruch von »Germany’s Next Topmodel« gewidmet. Menschen mit Trisomie 21 sehen diese Show offenbar mit großer Begeisterung. Die vermiest ihnen hier keiner, im Gegenteil: Sechs Personen dürfen glitzern und glänzen, was das Zeug hält und gleichzeitig komisch ihr Scheitern an der Perfektion zeigen.

Die Regisseurin Nele Jahnke war jahrelang Co-Leiterin des Züricher Theater Hora, einer der ältesten Behinderten-Theatergruppen. Nun ist sie an den Kammerspielen für inklusive Projekte zuständig. Man spürt, wie fein sie zwischen Darstellern mit und ohne Handicap austarieren und Eitelkeiten ausbremsen kann. Auch Luisa Wöllisch, seit ihrem Solo »Ich bin’s Frank« an den Kammerspielen schon ein vielbeschäftigter Star der Inklusionsszene, hat keinen größeren Part als die entzückende Johanna Klappauf, die gerne ein Kätzchen auf dem Catwalk wäre. Alle stöckeln und stolzieren in Goldlaméklamotten (von Lea Sovso), stürzen, rollen, fallen wieder und trotzen ihrem Körper das Aufstehen ab. Wunderbar, wie Julia Gräfner mit einem Ziegelstein-Kothurn unterm Schuh Haltung und Stolz behauptet. Sebastian Brandes sucht nach romantischer Liebe, David Gaviria nach sexueller Identität. Und Dennis Fell-Hernandez drängelt sich als Entertainer ans Mikro. Alle finden sich zu Playback-Popsongs wie Chers »I believe« zusammen und versprechen dröhnend, wie ein Bumerang zurückzukommen. ||

HEIDI WEINT – EINE GEFÜHLSVERSAMMLUNG
Kammerspiele – Werkraum | 21. Dez. | 20 Uhr
Tickets: 089 23396600

Weitere Theaterkritiken gibt es in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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