Der Jazz aus Bayern floriert, in jedem Fall auf Platte. Ralf Dombrowski hat sich umgehört.

Jazz aus Bayern: Alben-Tipps

Bleibt alles anders

 

PIANO JAZZ

jazz aus bayern

SVETLANA MARINCHENKO TRIO: LETTERS TO MY LITTLE GIRL
Losen Records

Ihren Abschluss an der Münchner Musikhochschule hat Svetlana Marinchenko in der Tasche. Das heißt aber nicht, dass nun alles einfach würde. Als Künstlerin aus Russland muss man sich beispielsweise immer wieder mit Visum-Gängeleien seines Heimatlandes herumschlagen. Und als Jazzpianistin schwimmt man im Haifischbecken international zahlreicher Konkurrenz. Immerhin, mit ihrem Album »Letters To My Little Girl« hat alles geklappt. Der Wunschschlagzeuger Orfi Nehemya war dabei, ebenso der Bassist Peter Cudek und wunderbare Gäste wie die Sängerinnen Enji Erkhembayar, Fiona Grond und der Elektroniker Mattheus von Schlippe. Neun eigene Stücke schafften es in das Programm, melodiös modern in der Grundgestalt, nachdrücklich und kraftvoll in der Spielhaltung, dezent melancholisch im Charakter, dabei aber gegenwärtig klar in der Wirkung. Ein wenig so, wie Svetlana Marinchenko sich nach Jahren des Studiums fühlt, einerseits ausgebildet, aber zugleich am Anfang eines neuen, rätselhaften Wegs. ||

POST FUSION

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TRIO ELF: FRAM
Enja Yellowbird/Edel

Schon amüsant, wenn unten auf dem Album das Logo von »Neustart Kultur« zu finden ist, bei einer Band, die bereits von 15 Jahren debütierte. Damals jedenfalls war der Sound des Trio Elf ungewohnt, eine Mischung aus Beats und Melodien, die mit Wurzeln im Drum & Bass, in Electronics und den frisch renovierten Vorstellungen modernen Jazzpianos zwischen den Stilwelten irrlichterten. Ein bisschen Neustart ist allerdings tatsächlich dabei, schließlich gehört der Bassist Sebastian Gieck erstmals neben Pianist Walter Lang und Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer zum Team. Er hält sich allerdings sehr zurück und überlässt den Partnern das Feld, die elf Stücke von »Fram« zu prägen. Die beiden geben sowohl kompositorisch als auch in der Gesamtwirkung weiterhin den Ton an, Lang mit seiner Vorliebe für gebundene Melodiebögen und girlandenhaft rankende Arpeggien, Eisenhauer mit bewährt trockenem Kartonsound seiner Snare und dem Wechsel aus nervösen und treibenden Rhythmen. Bleibt alles anders oder wird alles bewahrt? Das Trio Elf ist längst eine Konstante der heimischen Jazz-Crossover-Welt. ||

MODERN MAINSTREAM

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WOLFGANG LACKERSCHMID: SUMMER CHANGES
Dot Time Records/Galileo MC

Es ist diese Generation dazwischen, Nachkrieg, aber keine 68er und noch keine Boomer, jazzstilistisch also in der Mitte zwischen Revolution und Renaissance. Wolfgang Lackerschmid wird im September 65 Jahre alt, hat von Chet Baker bis Attila Zoller mit vielen Großen gespielt und wird international als Virtuose geschätzt. Trotzdem kennt man ihn eher als Mann im Hintergrund, weniger als schillernden Headliner von Festivals, der von seiner Wahlheimat Augsburg aus zahlreiche Bands zusammenhält, viel komponiert und organisiert, der mit seinem Instrument Vibraphon die musikalische Richtung vorgibt. »Summer Changes« hat zwar den Wandel im Titel, ist aber ein bewährt modern swingboppendes Programm mit Seitenwegen in den Kammerjazz, die Lackerschmid zusammen mit Pianist Mark Soskin, Bassist Jay Anderson und Drummer Adam Nussbaum beschreitet. Dem Album fehlt die Wut für Neues, dafür hat es die Eleganz des Geschmackvollen. Jazz eines Connaisseurs für ebensolche. ||

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