Noam Brusilovskys »Gehörlosen-Hörspiel« bekennt sich zum Scheitern und gewinnt. Am 9. Oktober wieder im Volkstheater.
»Gehörlosen-Hörspiel«: Welten die sich berühren
Ein Experiment, dessen Scheitern gewiss ist. Ein Versuch der Annäherung über Grenzen hinweg, die erst während dieses Versuchs ihre Konturen gewinnen. Und eine kleine Reflexion über Schallwellen als Ausnahmeerscheinung im Universum: All dies ist Noam Brusilovskys »Gehörlosen-Hörspiel«, mit dem das Volkstheater im September eine den Corona-Einschränkungen zum Opfer gefallene Premiere nachholte. Die große Bühne, auf die die Produktion dafür umziehen musste, sieht sich darin in eine Art Studio verwandelt. Hinten der Technikraum, regiert von Antonia Alessia Virginia, links das offene Schreiblabor, in dem Steffen Link und Steve Stymest ihre Ideen zu diesem unmöglichen Vorhaben in die Tasten hämmern. Und rechts sitzen alle drei abwechselnd vor einer Leinwand – für einen Bekenntnis-Staffellauf in Gebärdensprache, der für alle Nicht-Signer übertitelt wird.
Und zunächst hat man als Zuschauer viele Fragen: Wie passt all das zusammen? Ist die Beziehung zu einem Starregisseur, von der Antonia erzählt, ihre eigene? Oder teilen sich alle die Beichten von Steve, dem einzigen Gehörlosen im Team? Ist der Schauspieler Steffen, der Steve so verliebt anschaut, selbst involviert oder nur Platzhalter für Noam? Letztlich ist all das egal, und man schaut – und hört, denn nach zirka einer halben Stunde wird auch gesprochen – den dreien gerne zu, die mutig und behutsam aufeinander zugehen. Der selbstbewusste Gehörlose, der demonstriert, dass er nicht stumm ist. Der Hörspielregisseur, der das, was Hörende hören, sicht- und fühlbar machen will. Der Schauspieler, der seine mühsam trainierte Stimme gleich wieder einpacken muss, und die Geräusche in Lichteffekte übersetzende Soundkünstlerin.
Wie Brusilovskys Solo »Orchiektomie rechts« ist auch dieser Abend ein Zeig-mir-deine-Wunde-Ding mit Humor, in dem Verletzungen ohne jede Wehleidigkeit auf den Tisch kommen. Wenn sich Steffen und Steve über die ganze Bühnenbreite hinweg antanzen, spürt man die Luft zwischen ihnen und ihren Welten knistern. Apropos Welt: Der Abend erzählt auch von den Raumsonden Voyager 1 und 2, die die NASA 1977 ins All
schickte – mit Menschheitszeugnissen wie Liedern, Alltagsgeräuschen und Grüßen an multilinguale Aliens in 55 Sprachen, abgespeichert auf Platten, die 500 Millionen Jahre überdauern sollten. Nur dass sich Schall, wie man inzwischen weiß, im Vakuum nicht ausbreiten kann. Diesen Gimmick spart sich Brusilovsky bis zum Ende auf. Er rückt das Selbstverständnis der Hörenden als Regelfall ganz ordentlich zurecht. ||
GEHÖRLOSEN-HÖRSPIEL
Volkstheater | 9. Okt. | 20 Uhr | Tickets 089 5234655
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