…in Zwischenräumen gehen. Anna Konjetzkys Nomadic Academy macht Halt in München.

Bei der Eröffnung von »Playground«| © Gabriela Neeb

Die Eröffnung von Anna Konjetzkys »Playground« Mitte September war ein wenig so wie ihre letzten Stücke: Viviana Defazio, Sahra Huby, Quindell Orton und Riccardo De Simone zirkulierten durch den Raum und erklärten wortreich, was ihre Imagination mit ihren Bewegungen macht und vice versa. Man wird gerne auf Reisen in Metaebenen geschickt in den aktuellen Arbeiten der zuletzt in Shanghai, Laos und Saarbrücken gastierenden Münchner Choreografin. Oder man hält sich eine Etage tiefer auf – da, wo der Impuls steckt, dem der Körper nachgibt oder widersteht.

Der »Playground« auf dem Gelände des Kreativquartiers ist Konjetzkys neues Labor für solche Streiche, ihr »space for physical thinking, choreographic sketches and artistic research«. Das steht auch deshalb in Englisch auf allen Programmen, weil dieser Raum der Knotenpunkt eines internationalen Netzwerkes ist, das Polen, Palästina und Griechenland umschließt. Es nennt sich »Nomadische Akademie« und pflegt den Austausch von bayerischen Tanzschaffenden mit »ausgewählten Tanzszenen im Ausland«, wie es auf der Website des Tanzpakts Stadt-Land-Bund heißt, der das Projekt für drei Jahre unterstützt. Womit die Bewegungsforscherin, deren choreografische Arbeit ebenfalls für drei Jahre von der Stadt München wie vom Berliner Fonds Darstellende Künste gefördert wird, allerhand auf die Beine stellen kann, wovon der Tanz als gesellschaftspolitisches Vehikel und über kurz oder lang auch das Publikum profitiert.

Bei der »Playground«-Eröffnung wurde dieses zum Mittanzen animiert und konnte Input für Improvisationen geben. Dieser kleinste von vielen »Zwischenräumen«, die zu beleuchten für Anna Konjetzky »das große Thema der Akademie« ist, war also vergleichsweise schnell überbrückt. Die anderen liegen zwischen gesellschaftlichen Gruppen, Praktiken, Denkweisen und Nationen.

Bis 2021 werden die Tanznomaden jährlich für eine Woche in jedem Partnerland und für zehn Tage in München zum »Knowledge Sharing« zusammenkommen. Los ging es in Wrocław, von wo Anna Konjetzky vermeldet, »dass der Wechsel zwischen Performances, Diskussionen und körperlichen Formaten sehr gut funktioniert und Spaß macht«. Sie ist begeistert vom »Durst« der polnischen Mitstreiter, nimmt aber auch die Erkenntnis mit, »dass man mit sehr konkreten, auf die lokalen und individuellen Gegebenheiten zugeschnittenen Fragestellungen beginnen muss«. Der Weg zum großen utopischen Entwurf könnte demnach ein weiter sein. Und auch eine Herausforderung zeichnet sich bereits ab: Wie pflegt man den Dialog, wenn nicht immer alle vor Ort sind? Wo auch immer »vor Ort« gerade ist.

In München, wo vom 9. bis 18. Dezember die erste bayerische »Plattform« der Nomadischen Akademie stattfindet (die anschließend nach Fürth weiterzieht), wird mit Anna Królica zumindest eine polnische Tänzerin zugegen sein. Um Freiräume und Grenzen wird es gehen, die sich nicht nur in Polen gerade verengen respektive schließen, ums Querdenken und um Queerness. Und zu einigen Veranstaltung ist auch Publikum geladen. So kann etwa mit Philipp Schulte gelesen, gekocht und diskutiert werden. Am 17. Dezember bringt ein öffentliches Training alle Partizipanten auf Trab, die sich bei der anschließenden Party mit GodXXX Noirphiles wieder locker machen können. Der Trans-Künstler hat 2018 das erste Drag-Haus für People of Colour in Deutschland gegründet und sorgt in Clubs wie dem Berghain für ein Voguing-Revival.

Und zum Abschluss untersucht Maija Hirvanen im HochX, was hinter dem viel missbrauchten Wort Liebe steckt. In ihrer Lecture Performance, »Art and Love« kombiniert die finnische Choreografin gängige Praktiken, eigene Beobachtungen und philosophische Fragen zu überraschenden Körperstudien. Auf YouTube kann man sich ein Bild davon machen, welche grausamen Bewegungsblüten mechanisch reproduzierte Mutterliebe treiben kann, aber auch von der Genauigkeit dieser Arbeit, die sich mit herrlichem Ernst über Stereotype hermacht und jedem Bescheidwisser-Blick ein feuriges »Nein« entgegenschleudert. Konjetzky sieht darin »ein Queering verfestigter gesellschaftlicher Strukturen, eine Aufforderung näher zusammenzurücken, füreinander Sorge zu tragen und Verantwortung zu teilen«. ||

NOMADIC ACADEMY
Playground| Dachauer Str. 112 d | 11. Dez., 19 Uhr: Lesung mit Philipp Schulte | 17. Dez., 16–20 und ab 21 Uhr: Training und Party
HochX| Entenbachstr. 37 | 18. Dez., 20 Uhr: Lecture Performance »Art and Love« von Maija Hirvanen | Anmeldung

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