Die Ausstellung »Aufbruch ins Jetzt – Der Neue Deutsche Film« des Schweizers Beat Presser präsentiert Protagonisten der legendären Ärä des jungen deutschen Films.

Beat Presser: Michael Ballhaus – Der legendäre Kameramann war seit 1965 für Herbert Vesely und viele andere junge Regisseure, in den 70er Jahren speziell für Fassbinder tätig | © Beat Presser

Eins vorweg: Wer in der multimedialen Ausstellung nur die 150 Fotos anschaut, kommt nicht wirklich auf seine Kosten. Der Besucher in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste muss sich auch Zeit nehmen für die Video- und Audio-Dokumente. Und sollte sich vielleicht vorab ein wenig über die Periode des Neuen Deutschen Films (NDF) informieren.

Davon abgesehen ist die Idee des Schweizer Fotografen Beat Presser betörend: Er, der als Assistent und Setfotograf bei Werner Herzog die ersten Berührungen mit dem NDF hatte, suchte 56 in alle Welt verstreute Protagonisten auf, fotografierte und befragte sie. Um an diesen inzwischen vom Vergessen bedrohten Filmstil der 60er, 70er, 80er Jahre in Deutschland zu erinnern.

Dabei ging es Presser nicht nur um die legendären Filmemacher dieser glorreichen deutschen Filmepoche wie Alexander Kluge, Edgar Reitz, Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders oder Margarethe von Trotta. Oder um die legendären Schauspieler, die diese Epoche berühmt machte – etwa Hanna Schygulla, Bruno Ganz (†), Angela Winkler, Eva Mattes. Er suchte auch die weniger Bekannten auf: Szenenbildner, Kameraleute, Schnittmeister, Kostümbildner, Drehbuchautoren. Um ihnen Reverenz zu erweisen, wie er sagt. Und um so manch aufschlussreiches, lange zurückliegendes Detail in Erfahrung zu bringen. Manche der Protagonisten hatten genau zwei exakt getimte Stunden Zeit für Setting, Foto und Interview, andere nahmen sich dafür Tage. Schließlich haben sich einige bereits zur Ruhe gesetzt, andere mischen nach wie vor mit im Big Film-Business.

Für Walter Saxer, einst Produktionsleiter von »Fitzcarraldo«, reiste Presser wochenlang durch den brasilianischen Amazonas Regenwald. Denn Saxer, der einst das Schiff über den Berg gezogen hat, ist danach einfach dort geblieben. So lässt sich Pressers initiale Frage – Was ist aus meinen bewunderten Vorbildern von damals eigentlich geworden? – einerseits leicht
beantworten. Schließlich sieht man ja die ausdrucksvollen Porträts, kann Interviews lauschen, Video-Mitschnitte teils aus alten Zeiten betrachten.

Allerdings: Eine Rückschau, eine Gesamtdarstellung des Phänomens NDF ist diese – man möchte sagen: liebevolle – Annäherung (noch) nicht. Die kann einer allein wohl auch nicht leisten: angesichts dieser zwei Jahrzehnte dauernden Filmperiode mit zahllosen individuellen Hervorbringungen. Und die Institutionen, die die Bedeutung dieser Bewegung veranschaulichen könnten, beweisen bislang hartnäckiges Desinteresse. Presser musste sogar den Verlag, der den Katalog mit Bildern und Interviews herausbrachte, erstmal selber gründen.

Ein Anfang immerhin. Selbst wenn diesem kein annähernd vergleichbarer Zauber innewohnt wie dem Oberhausener Manifest vom 28. 2.1962, dem Geburts-Tag des NDF. Die Schwabinger Gruppe DOC 59 um Haro Senft und Ferdinand Khittl hatte eine Presserklärung auf den Kurzfilmtagen initiiert. Darin hatten 26 junge Filmer die Auseinandersetzung des Kinos mit politischen, gesellschaftskritischen, zeitgeschichtlichen Themen und »neue Freiheiten« für den Film gefordert. »Papas Kino ist tot« propagierten sie, angesichts der damaligen deutschen Kino-Wirklichkeit, die von Heimat- und Schlagerfilmen, von Karl May und Edgar Wallace geprägt war. Als erster »Neuer Deutscher Film« gilt Herbert Veselys »Das Brot der frühen Jahre« (1962); Produzent Hansjürgen Poland, Kameramann Wolf Wirth und Hauptdarsteller Christian Doermer zählten wie auch Vesely zu den Unterzeichnern des Manifests. Romanautor Heinrich Böll selbst hatte die Dialoge entwickelt und der Jazzer Attila Zoller live zu den Filmbildern improvisiert. Mit zwei Böll-Verfilmungen begann dann auch Regisseur Jean-Marie Straub sein Œuvre. ||

AUFBRUCH INS JETZT – DER NEUE DEUTSCHE FILM
Bayerische Akademie der Schönen Künste| Max-JosephPlatz 3 | bis 28. Juli| Di–So 11–17 Uhr | Führung mit Beat Presser: 18.7., 15 Uhr | www.badsk.de || Filme und Gespräche: im Theatiner, 7. 7., 11 Uhr, »Mondo Lux« mit Regisseurin Elfie Mikesch; im Filmmuseum, 12.7., 18.30 Uhr, Alexander Kluges »Abschied von gestern«; 13. 7., 21 Uhr, »Deutschland im Herbst«; 14.7., 18.30 Uhr, Geist und ein wenig Glück« von Ulrich Schamoni und »Rote Sonne« von Rudolf Thome; 28.7., 18.30 Uhr, Edgar Reitz’ »Die Nacht der Regisseure«

BEAT PRESSER: AUFBRUCH INS JETZT – DER NEUE DEUTSCHE FILM. GESPRÄCHE
Mit einem Vorwort von Hans Helmut Prinzler | edition
achsensprung, 2019 | 384 Seiten | 25 Euro

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