Das Gärtnerplatztheater inszeniert Ravels Boulevard-Groteske »L’Heure Espagnole«. Ein Kuriosum.

Juan Carlos Falcón, Gyula Rab, Valentina Stadler,
Christoph Seidl, Matija Meic| © Adrienne Meister

Die Probenbühne des Gärtnerplatztheaters ist eine Option. Mit gleicher Fläche wie der Hauptspielort, wenn auch deutlich geringerer Raumhöhe, ermöglicht sie dem Ensemble, weitgehend maßstabsgetreu Stücke zu erarbeiten. Mehr noch: Sie bietet Raum für kleinere Werke, die das Haus nicht füllen würden, aber dennoch ausprobiert werden wollen. Stücke wie Maurice Ravels Einakter »L’Heure Espagnole«, ein Opernexperiment, das 1911 in Paris an der Opéra Comique uraufgeführt wurde. Es ist ein Kuriosum aus der an Sonderbarkeiten reichen Epoche des Fin de Siècle, dessen hysterischer Grundton zahlreiche Elemente des theatralen Zeitgeistes verknüpft und persifliert. Im Zentrum steht Concepción (Valentina Stadler), eine von Lust und Langeweile getriebene Uhrmachersgattin, die im Laufe des Geschehens ihre eigene Triebkraft auf vier Männertypen mit hedonistischem Gewinn zu verteilen versucht. Verheiratet mit der Krämerseele Torquemada (Juan Carlos-Falcón), dessen mechanistische Weltsicht Abweichungen von der Norm kaum wahrnimmt, pendelt sie zwischen dem naiven Kraftprotz Ramiro (Matija Meić), dem poetisch verklärten Dichterling Gonzalvo (Gyula Rab) und dem geschäftsmäßig verliebten Bankier Don Inigo Gomez (Christoph Seidl), aus deren (Nicht-)Begegnungen sich schwankhafte Komik entwickelt.

Dieses von Maurice Étienne Legrand (genannt Franc-Nohain) entwickelte Libretto birgt viel Boulevard bis hin zur Groteske in sich, und die Inszenierung von Lucas Wachernig stellt diese Elemente klar in den Vordergrund. Die von Stephanie Thurmair kostümierten Charaktere wirken wie einem Stummfilm entsprungen, typenhaft überzogen und einer nostalgisch formalistisch geprägten Bühnenästhetik verpflichtet, die in ruckelndem Schwarz-Weiß gedreht auch aus den 20er Jahren hätte stammen können. Dazu passt eine Musik, die Gefälligkeit verspottet, aber Leichtigkeit behält, überhaupt ein ständiges Spiel mit den Erwartungen an die Komik und dem hörbaren Gestaltungsbedürfnis eines Komponisten, der bei allem Klamauk ernst genommen werden will. »L’Heure Espagnole« wird damit auch formal zu einem Experiment. Eine Oper als Einakter mit minimalem Personal, vielfach kodierter Erotik der Bürgerlichkeit, reichlich Text, aber kaum narrativem Fortschritt, Unterhaltungscharakter, aber verweigerter Eingängigkeit – so etwas passt gut in einen konspirativ wirkenden Theaterraum wie die schwarz getünchte Probenbühne, wo sich das Publikum im Hufeisen um das Geschehen gruppiert und das Orchester des Hauses in Kammerbesetzung unter energischer Leitung von Kiril Stankow ebenfalls quasi mitten in der Opernwelt agiert. ||

L’HEURE ESPAGNOLE
Gärtnerplatztheater Studiobühne|19. Juni
19.30 Uhr | 20. Juni| 18 Uhr | Tickets: 089 21851960

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