Die Staatsoper feiert 200-jähriges Jubiläum. Eine Ausstellung im Theatermuseum zur Bühnenbildgestaltung führt hinter die Kulissen.
Ein echter Hingucker war die Ausstattung des jungen Simon Quaglio zur »Zauberflöte« im November 1818 im Münchner Hoftheater. Auch 200 Jahre später – in Zeiten, wo Georg Baselitz an der Staatsoper mit seiner Bilderwelt Wagners »Parsifal« interpretiert und andere Bühnenausstatter virtuos alle Register der Intermedialität und digitaler Bildproduktion ziehen – erweisen sich Quaglios Entwürfe als Meisterwerke. Eine für das 19. Jahrhundert visionäre Mischung aus fantastischen Szenen aus demR eich der Königin der Nacht – Quaglios eigene Erfindung – und realistisch korrekten, aus zeitgenössischen Reiseillustrationen übernommenen Bilder Ägyptens aus der Sarastro-Welt.
Aus dem 250 000 Blätter umfassenden Archiv des Deutschen Theatermuseums haben Musiktheaterspezialist Jürgen Schläder und Direktorin Claudia Blank komplette Serien von Bühnenbildentwürfen zu fünf wichtigen Werkenausgewählt, die bis heute tragende Säulen im Repertoire der Münchner Oper bilden: Neben der »Zauberflöte« Wagners »Meistersinger« in Michael Echtlers Bildern zur Uraufführung 1868, die Jugendstil-Dekoration von Alfred Roller zur Wiener Uraufführung von Richard Strauss’ »Die Frau ohne Schatten« (1919), die Bühnenbildkonzepte des Münchner Chefausstatters Helmut Jürgens zu Verdis »Aida« (1948 und 1963) und die malerischen Entwürfe Erich Wonders zu Götz Friedrichs Münchner Inszenierung von Beethovens »Fidelio« (1978). Als Extra-Schmankerl noch die Entwürfe von Georg Baselitz zum »Parsifal«. Dazu treten, ebenfalls in Originalblättern, andere Entwürfe zu besagten fünf Werkenaus anderen Zeiten, so dass sich nachvollziehen lässt, wie Bühnenbildner mit dem Raum entwurfstechnisch und interpretatorisch umgehen.
Die hiesige Hofoper war als Repertoiretheater konzipiert, wo man das Beste auch in München auf dem Spielplan hatte. Wobei Intendant Karl Theodor von Küstner die vielgespielten »Hugenotten« von Meyerbeer im katholischen Umfeld szenisch nach London verlegte und das Verhältnis von Mördern und Opfern ideologisch umdrehte: die dargestellte Welt widersprach so den historischen Fakten, die Bilder von Simon Quaglio zeigten London und englische Schlösser. Die Ausstellung porträtiert neben der prägenden Künstlerfamilie der Quaglios auch weitere zentrale Persönlichkeiten in der zweihundertjährigen Geschichte, die Chefausstatter Leo Pasetti, Ludwig Sievert und Helmut Jürgens sowie die unverkennbaren und vielseitigen Bühnenbild-Künstler Jean-Pierre Ponnelle und Jürgen Rose.
Ein Zeitstrahl informiert im Erdgeschoss-Durchgang über die historischen und ästhetischen Entwicklungen des Hauses, oben veranschaulichen fast 150 Bühnenbildentwürfe diese exemplarische »Szenografiegeschichte«. So lautet der Untertitel der Schau und der lehrreichen und bestens lesbaren Begleitpublikation von Jürgen Schläder. Auch in der Ausstellung lässt sich viel entdecken, etwa wie Raum-Bilder dargestellte Welten interpretieren und wie Raum-Kreationen erschaffen werden. Am Ende taucht man ganz in die Welt des 21. Jahrhundertsein. In einen Bilder-Reflexions-Raum, den Mediendesigner Christian Schmid mit heutigen bühnenbildnerischen Mitteln – unter Einsatz der im Theater nicht möglichen vierten Wand – konstruiert hat. Zwischen den riesigen verzerrungsfreien Spiegelflächen der Spezialfirma Alluvial erlebtman hier eine Spiegelung der Spiegelung des Durchscheinens einer Inszenierungs-Projektion auf die nächste, ein vielfach gebrochenes, sich erweiterndes Raum-Bild, das die Zuschauenden einschließt. ||
VISION UND TRADITION. 200 JAHRE NATIONALTHEATER IN MÜNCHEN
Deutsches Theatermuseum| Galeriestr. 4a
bis 14. April| Di–So 10–16 Uhr | am 5. März
10–12 Uhr | Führung »Münchner Schatzsuche« mit Anette Spieldiener: jeden So, 12.30–14 Uhr, 9 Euro plus Eintritt | Die Begleitpublikation von Jürgen Schläder (Henschel 2018, 208 S., 200 Abb.) ist im Museumsshop erhältlich.
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