Rassismus ist Thema. »Green Book« macht daraus ein Roadmovie, das derzeit Amerika bewegt.

Ein ungleiches Paar unterwegs in den Südstaaten der USA:
Viggo Mortensen (l.) und Mahershala Ali als Dr. Don Shirley| © 2018 eOne Germany

Es ist eine einfache Geschichte: Ein schwarzer, gebildeter Konzertpianist heuert einen weißen, italoamerikanischen Fahrer an, der ihn in den frühen Sechzigern auf einer Tournee durch die tendenziell rassistischen Südstaaten begleitet. Trotz anfänglicher Missverständnisse werden die beiden Freunde, nachdem sie einige kritische Situationen gemeinsam durchlebt haben. So weit, so klassisch in der Konzeption antagonistischer Männerfreundschaften und vom Drehbuch (Nick Vallelonga, Brian Currie, Peter Farrelly) chronologisch linear ohne viel Getöse nach einer wahren Begebenheit inszeniert. Aber das ist nur die Oberfläche. Denn »Green Book« (ein Verzeichnis der Hotels, in denen Schwarze in Amerikas Südstaaten willkommen waren) erzählt mehr als das, und das Faszinierende ist die Leichtigkeit, mit der der Film das tut.

Das fängt schon beim dominierenden Thema Rassismus an. Denn die beiden Hauptcharaktere Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) und Tony Lip (Viggo Mortensen) sind beide menschlich so widersprüchlich angelegt, dass eine Parteinahme durch den Zuschauer schwerfällt. Der eine wirkt zwar distinguiert, gebildet, ein eleganter künstlerischer Genius mit vollendeten Umgangsformen, stellt sich aber en detail als einsamer, im emotionalen Miteinander hilfloser und in der Urteilsfindung zuweilen klischeeverhafteter Akademiker heraus, dessen moralische Utopie der Gerechtigkeit am Alltag scheitert. Der andere erscheint als ordinärer Getriebener, bildungsfern, vom urbanen, migrantischen Stammeszwang des Großfamilienidylls in ein Leben gepresst, dass immer mehr von ihm abfällt, je weiter er sich von New York in Richtung zivilisatorische Wildnis entfernt, und seine vielleicht schlichten, aber im Kern moralisch redlichen Überzeugungen zutage
treten lässt.

Das ist nicht schwarz und weiss, richtig und falsch, korrekt und verboten, sondern von Anfang an ein Durcheinander, so wie sich Rassismus nicht nur in der Dummheit, sondern auch in den vielen Kleinigkeiten unüberlegten Handelns manifestiert. Ali und Mortensen spielen dabei das ungleiche Paar unspektakulär brillant, konzentriert auf das Spannungsverhältnis der Rollen. Das schafft dramaturgisch Raum, und so kann über das Hauptthema hinaus noch mehr angedeutet werden, etwa die Geschichte eines Hierarchieabbaus innerhalb eines Arbeitsverhältnisses, Einblicke in die Verlorenheit und Enge des Künstlerdaseins oder die trügerische Eintracht des Familienlebens. »Green Book« macht sogar das Hollywooderzählen selbst zum Thema. In einer zwischen Grobianismus und Empfindlichkeiten pendelnden Zeit wird ein noch immer heißes Eisen angepackt – erzählt anhand von Einzelschicksalen in uramerikanischer Form eines historisierenden und auch schon mal die Weiten des Landes glorifizierenden Roadmovies, ernst in der Aussage, situationskomisch in manchen Absurditäten, am Endemit einem Hang zum Rührstück, damit auch das große Publikum eine Chance für die finale Träne bekommt. Das ist nicht das Pathos von »Selma«, nicht die Anklage von »10 Years A Slave«, sondern ein Plädoyer für die Kraft des Einzelnen, der in seinem Kreis vielleicht sogar etwas zum Positiven bewegen kann. Das macht den Film stark und ungemein aktuell. ||

GREEN BOOK
USA 2018 | Regie: Peter Farrelly
Mit: Mahershala Ali, Viggo Mortensen, Linda Cardellini
130 Minuten | Kinostart: 31. Januar 2019
Trailer

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