Robert Spitz inszeniert Nino Haratischwilis beklemmendes Frauendrama »Herbst der Untertanen«.

Wer kapert den verwaisten Thron im Haus des Generals? © depositphotos – vicnt2815

Draußen in den Straßen herrscht Krieg. Drinnen liefern sich drei Frauen gnadenlose Machtkämpfe. Die Hausangestellten eines Generals und seiner Gattin, die verschwunden sind, belauern, quälen und demütigen einander. Die Köchin Rina, seit Jahren eine devote Dienerin ihrer Herrschaften, will mit eiserner Hand die alte Ordnung aufrechterhalten, gegen die die Haushälterin Kaela zornig rebelliert. Beide tyrannisieren und erniedrigen die Aushilfe Luci und versuchen das Flüchtlingsmädchen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

»Spannend wie einen Krimi« fand Robert Spitz die Lektüre von Nino Haratischwilis Text, den er nun im Theater Blaue Maus inszeniert. Die vielfach preisgekrönte Dramatikerin und Romanautorin, die mit ihrem georgischen Familienepos »Das achte Leben« eine große Leserschaft eroberte, führt in »Herbst der Untertanen« beklemmend die Verinnerlichung von Herrschaftsstrukturen und Gewalterfahrungen vor. »Die Trennlinie zwischen Opfern und Tätern«, so Spitz, »ist in ihrem Stück beängstigend brüchig. Es zeigt, wie rasch die Rollen kippen und sich umdrehen können.«

Haratischwili bricht die klassischen Geschlechterstereotypenauf. Die Frauen, die sich in Kriegserzählungen gern daheim tapfer um die Kinder kümmern und die Toten beweinen, verwandeln das Haus in ein privates Schlachtfeld. Dabei werden sukzessive ihre Traumata und psychischen Deformationen deutlich. Jede von ihnen ist in einer männerdominierten, bürgerkriegsverheerten Welt irgendwann zum Opfer geworden. Mit »Herbst der Untertanen« unterstreicht Spitz, der die Leitung des Theaters Blaue Maus Ende 2017 übernommen hat, die programmatische Neuausrichtung der Bühne. Während sich diese unter Claus und Sigi Siegert auf absurd komische Literatur von Autoren wie Jandl oder Charms fokussiert hatte, will der 63-Jährige den Schwerpunkt auf zeitgenössische Dramatik legen. Das ist mutig, schließlich gelten unbekannte Titel lebender Autoren gemeinhin als Kassengift. Bislang aber ist er mit dem Zuschauerzuspruch »sehr zufrieden«.

Auch in der überlebenswichtigen Finanzierungsfrage hat sich ein Lichtblick aufgetan. Die Jahresförderung, die das Theater mit dem Leitungswechsel verloren hat und erst in drei Jahren wieder beantragen kann, fehlt zwar bitterlich. Doch nun hat das Kulturreferat signalisiert, dass es bereit sei, noch 2018 mit einem Zuschuss einzuspringen. »Für uns ist das wieein himmlisches Wunder. Ich bin überglücklich«, erklärt Spitz. Richtig Geld verdienen lässt sich mit der für 44 Plätze zugelassenen Kellerbühne natürlich nicht. Er selbst wird weiterhin als Schauspieler, Lehrer und Regisseur anderswo arbeiten, und finanzieren konnte er die aktuelle Produktion nur mittels einer Fortbildungsmaßnahme des als Träger des Hauses fungierenden Theater Werkmünchen.

Letztlich allerdings, glaubt er, hat die problematische Grundsituation auch Vorteile: »Selbst wenn ich nur gefällige Komödien spielen würde und das Theater jeden Abend ausverkauft wäre, ließe es sich damit nicht finanzieren. Wir sind auf Subventionen angewiesen. Die können und sollten wir dann aber auch nutzen für anspruchsvolle Stücke, die andernorts nicht zu sehen sind.« Wie das bitterkomische finnische Drama »Wer Hunger hat soll Vögel gucken«, mit dessen deutscher Erstaufführung Spitz ein fabelhafter und sehr vielversprechender Auftakt für sein Programmkonzept glückte.

Für die Proben zu seiner neuen Inszenierung hat er sich viel Zeit genommen. »Ich möchte«, betont er, »als Regisseur das umsetzen, was ich selbst als Schauspieler manchmal vermisse, und alle auf Augenhöhe in den kreativen Prozess einbinden.« Gemeinsam wolle man versuchen, die inneren Mechanismen, die das Verhalten der Frauen bedingen, auszuloten und die Gewalt spürbar zu machen, ohne sie zu illustrieren. Spitz hat das Stück aus den herrschaftlichen Gemächern in einen Luftschutzkeller verlegt, dessen Fenster mit Sandsäcken verbarrikadiert sind. In diesem werden sich auch die Zuschauer wiederfinden, die die Psychoschlachten hautnah miterleben sollen. ||

HERBST DER UNTERTANEN
Theater Blaue Maus | Elvirastr. 17a, 12., 13., 17.–21., 24.–26. Okt.| 20 Uhr | Tickets: 089 182694
karten@theaterblauemaus.de

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