Der Jugend wird gerne politisches Desinteresse unterstellt. Die Diagnose ist falsch, zeigt eine Tagung in Tutzing.

Junge Politik mit Seeblick © Ralf Dombrowski

Man muss nur wollen. Eigentlich ein hoffnungsvolles Fazit der Tagung »Junge Stimmen im politischen Kosmos«, die am Wochenende in der Evangelischen Akademie Tutzing in Kooperation mit dem Centrum für angewandte Politikforschung der LMU München junge Menschen aus ganz Bayern und darüber hinaus zu Diskurs und Diskussion einlud. Es scheint aber nicht unbedingt Ziel der Politik zu sein, war der Vorbehalt, der sich aus den Gesprächen, Arbeitsgruppen und Vortragsrunden ablesen ließ. Gerade beim Abschlussplenum, wo Politiker/innen aller derzeit im Landtag vertretenen Parteien zum Gespräch erschienen waren, wurde klar, wie weit der schwerfällige Apparat einer in historischer Selbstgenügsamkeit verharrenden Regierung von den Lebenswelten der Jugend entfernt ist.

Dabei waren viele der Forderungen eigentlich nur naheliegend, etwa nach deutlich mehr fachübergreifender politischer Bildung in den Schulen; nach erst genommener Inklusion, Selbstmordprävention, letztlich Achtsamkeit und Nachhaltigkeit im Umgang mit den intellektuellen, gesellschaftlichen, emotionalen Ressourcen; nach mehr direkter Kommunikation mit der Politik; nach einer Digitalisierung und einem Breitbandausbau jenseits der aktuellen Lachnummer; am Ende auch nach einem ernsthaften Umgang mit den wirklich großen Fragen von Mobilität, Ökologie, Klimawandel.

Und es gibt ja auch Leute in der Politik, die wollen, obwohl sie wie Diana Kinnert einen Hürdenlauf der Absurditäten hinter sich bringen müssen, bis sie die Außengrenzen der Parteipolitik hinter sich gelassen haben. Inzwischen eine Vorzeige-Jungunternehmerin, die unter anderem als Geschäftsführerin von newsgreen und Globalo News Publishing, aber auch als furchtlose Netzwerkerin ihre Visionen als Optionen und Handlungsaufforderungen versteht, erzählte sie mit lakonisch-humoristischem Unterton in ihrer Keynote von ihren parteipolitischen Anfängen als Teenagerin im Wuppertaler Ortsverband der CDU, dessen ignorante Trägheit jeden Menschen mit weniger humanistischem Grundoptimismus wohl desillusioniert haben dürfte.

Es geht, man kann das System entkrusten, aber dazu muss man sich darauf einlassen. Vielleicht ein Widerspruch, aber auch eine wichtige Erkenntnis des Wochenendes. Denn politische Enthaltsamkeit führt nur zur Erosion des Demokratischen. Und so zeigte Karolina Salomon aus dem Team der »heute show«, wie Politsatire den Prozess der Erkenntnis beschleunigen kann. Michael Weigl vom Politiklehrstuhl in Passau präsentierte Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Individuellen Einflussnahme etwa über Petitionen. Madeleine Hofmann von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Sophie Pornschlegel vom Think Tank »Das Progressive Zentrum« machten klar, wie wichtig produktive Utopien im Wechselspiel von Generationengerechtigkeit und den gesellschaftlichen Verteilungskämpfen sind. Alexander Wassilenko wiederum dokumentierte als Hip Hop Pädagoge, wie man auch die erreicht, die schon lange als verloren gelten.

Man muss nicht nur wollen, man müsste sie auch machen lassen, die Jugend, auf die Gefahr hin, selbst als das dazustehen, was man letztlich ist, nämlich alt oder zumindest älter und im Zusammenhang mit den Bedürfnissen der kommenden Generationen nicht mehr zwangsläufig maßgeblich. Das erweiterte und implizite Fazit der Tagung war daher durchaus positiv: Denn die Jugend dieses Wochenendes in Tutzing strotzt nur so vor Gestaltungswillen, Zukunftsbewusstsein und übrigens auch Sachkenntnis. Man sollte sie also nur machen lassen, fördern, unterstützten, und die Demokratie müsste keine Existenzängste mehr haben. Hallo Politik! Ι Ι

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