Heiko Dietz’ Dokudrama »Gottes Last« kreist um Missbrauch in der katholischen Kirche.
Bessere Zeiten hat dieses Bahnhofsbeisl bestimmt schon erlebt: Einfache Stehtischchen, abgewetzte Barhocker und ein trostloser Stammtisch in der Ecke (Bühnenbild: Andreas Arneth). Am Tresen ein muffliger Süffler (Heiko Dietz) und hinter der Theke eine patente Wirtin (Yvonne Brosch). Dazu ein durch das Lokal wuselnder bildungsbeflissener Schwadroneur (Josef Parzefall) und eine Putzfrau (Waltraud Lederer) mit kernigen Sprüchen. Doch in diese triste Kneipenatmosphäre kommt plötzlich Leben, da ein Zug wegen eines Lokomotivschadens hier stoppte und vier Kleriker bis zur Weiterfahrt zwangsweise einen Aufenthalt in diesem unwirtlichen Lokal einlegen müssen: Ein introvertierter Kardinal (Friederich Silenz), der sich die Wartezeit nicht mit der Lektüre seines Bistumsblättchens, sondern mit dem »Münchner Feuilleton« vertreibt; ein sich jovial gebender Bischof (Konrad Adams), der sich dem Rosenkranz ebenso intensiv widmet wie dem Kartenspiel; ein verdruckster Pfarrer als Hardliner (Johannes Haag) und ein zwischen Angepasstheit und Aufmüpfigkeit schwankender Vikar (Robert Ludewig). Vier ach so fromme geistliche Herren, prägnant charakterisiert, die auf dem Weg zu einer zunächst ominös erscheinenden Tagung sind.
Die skurrile Idylle freilich kippt zunehmend in ihr Gegenteil, als zwei weitere Reisende, das Geschwisterpaar Angelika und Manfred, den Raum betreten. Denn beim Anblick dieses katholischen Würdenträger-Quartetts kommen bei Manfred die ihn seit Jahrzehnten belastenden Erinnerungen hoch, die ihn traumatisiert und sein Leben zerstört haben: Ministrant war er, als sein Pfarrer ihn zum ersten Mal sexuell missbrauchte. Sechs Jahre lang war er diesem Martyrium ausgesetzt, bis er sich wehren konnte. Und jetzt steht Manfred dem Kardinal gegenüber, der seinen Peiniger damals von aller Schuld reingewaschen hat.
In einem furiosen dramatischen Crescendo klagt Manfred (fulminant: Claus-Peter Damitz) nun nicht nur dieses Verbrechen an seiner Seele an, sondern er zeigt die Folgen der sexualisierten Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen auf, begangen nicht nur von »Gottes Dienern auf Erden«. Die Kirchenmänner, die passenderweise zu einem Kongress zu genau diesem Thema anreisen, werden entweder kleinlaut oder antworten mit frommen Sprüchen. Und Manfreds Schwester Angelika (Petra Wintersteller), nervlich völlig am Ende, outet sich schließlich auch noch als gläubige Katholikin. Das von Heiko Dietz brillant geschriebene und eindrucksvoll inszenierte Psychodrama, geht ganz gewaltig unter die Haut. Zwar hätte eine behutsame Reduzierung all der gesammelten und szenisch aufbereiteten Fakten über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche und anderswo nicht geschadet, und der versöhnliche Schluss (Manfred darf auf dem Kirchenkongress ein Plädoyer gegen sexualisierte Gewalt halten) passt nicht so recht zum hochdramatischen Inhalt dieses Stückes. Trotzdem: »Gottes Last« ist eine beklemmende Doku, die wegen des Wasserschadens im »theater und so fort« im TamS-Theater ihre umjubelte Uraufführung erlebte und nun bei Heppel und Ettlich ebenfalls Betroffenheit auslösen wird. ||
GOTTES LAST
Theater Heppel und Ettlich| Feilitzschstr. 12
5., 16.–19. Mai| 20 Uhr | Tickets nur online
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