Das Brechtfestival verabschiedet sich mit einem weiten Spannungsbogen

Thomas Wodianka und Till Wonka in »Dickicht« vom Maxim Gorki Theater Berlin © Ute Langkafel MAIFOTO

Den ersten Aufschlag am zweiten Festivalsamstag hat der künstlerische Leiter persönlich: Patrick Wengenroth interpretiert einen Text des Musikers und Autors Peter Licht, »Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausend«, inklusive mehrerer Songs mit Matze Klopp am Klavier. Ein durchaus abgründiges Vergnügen, die ironisch-fantastischen Episoden kippen gerne innerhalb eines Satzes vom sicher geglaubten Alltag am Rande des Existenzminimums in einen wahren Wort- und Bilderstrudel – und wieder zurück, wenn man Glück hat –, immer getragen von Intelligenz, Witz und ausgeprägtem Sprachgefühl. Ein gefeierter Auftritt und Balsam für den in Augsburg teilweise heftig kritisierten Festivalleiter, der sich damit freilich in guter Gesellschaft weiß: Die Programmgestaltung ist seit Bestehen des Festivals Anlass für hitzige Diskussionen.

Die wichtigen Kämpfe werden zum Glück aber immer noch auf der Bühne ausgetragen. »Im Dickicht der Städte« ist eines der bekanntesten Duelle der Theatergeschichte und gleichzeitig einer von Brechts verstörendsten und sperrigsten Texten. Und der liegt hier in besten Händen: Mit der im März 2017 zum ersten Mal aufgeführten Produktion »Dickicht – nach Bertolt Brecht« des Berliner Maxim Gorki Theaters haben die Augsburger ein höchst renommiertes Ensemble eingeladen, das seinem Ruf absolut gerecht wird und für viele Zuschauer den Höhepunkt des Festivals bildet.

In »Dickicht« werden keine Gefangenen gemacht, der irrationale Kampf zwischen dem Holzhändler Shlink und dem Leihbibliotheksangestellten George Garga fesselt von der ersten Sekunde an dank einer großartigen Schauspielleistung und einer rasanten Inszenierung, die mit live synchronisierten Filmeinspielungen nicht nur die V-Effekt-Fans mehr als zufriedenstellt, sondern auch ein starkes Beispiel gibt für die sinnvolle Verwendung der oftmals aufgesetzt wirkenden Technik. Till Wonka und Thomas Wodianka als Garga und Shlink sind die herausragenden Darsteller in einer fesselnden Produktion, die den Brecht-Text als brandaktuelles Material zeigt.

Anekdotische Winterreise
In der abschließenden »Winterreise« am Sonntagabend ist das Maxim Gorki Theater noch einmal zu sehen, diesmal mit seinem Exil Ensemble, professionellen Schauspielern aus Afghanistan, Syrien und Palästina. Die Tour durch Deutschland mit Abstecher nach Zürich bleibt allerdings vieles schuldig, die Geschichten verharren zumeist im Anekdotischen, die geschilderten Fluchtschicksale sind – bei aller Dramatik – ein allzu oft gehörtes Sujet, und auch die Analyse des Gastlandes kommt über humorige Missverständnisse meist nicht hinaus. Wie oft hat man schon gehört, dass deutsche Kloschüsseln für Verwunderung sorgen? Und wie oft will man das hören?

Dass die Produktion trotzdem unterhaltsam und kurzweilig daherkommt, liegt an den durchweg sympathischen und engagierten Darstellern, die zusammen mit Hausregisseurin Yael Ronen das Stück entwickelt haben, Till Wonka mimt den deutschen Betreuer. Die arabisch-englisch-deutsche Sprachvielfalt sowie der geschickte Einsatz von Musik und Projektionen tun ihr Übriges, um dem Festival einen versöhnlichen Abschluss zu bescheren. Wohlfühltheater im besten Sinne, das vom im Laufe der zehn Tage durchaus geforderten Publikum begeistert aufgenommen wird.

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