Nicht aber der neue Theaterleiter Robert Spitz. Der Schauspieler will fast ohne Geld viele Pläne für die Blaue Maus verwirklichen. Auch mit Zauberei.
Seinen ersten großen Auftritt hatte Robert Spitz 1985 in München: Da spielte er in Herbert Achternbuschs »Gust« am Residenztheater. Er trat aber weder auf noch ab, sondern lag die ganze Zeit verröchelnd als Lies im Sterbebett, während Sepp Bierbichlers Gust einen großen Wutmonolog ins Publikum spuckte. Wenn die Lies stöhnend aus dem Bett fiel, packte der Gust sie grob wieder hinein. Die Achternbusch-Inszenierung war ein Renner und machte Robert Spitz bekannt. Der Schauspieler war u. a. am Schauspielhaus Hamburg engagiert, an den Münchner Kammerspielen, dem Volkstheater und der Schauburg. Und zwischen verschiedenen Filmrollen oft in der freien Münchner Szene unterwegs, auch als Regisseur. Vor 20 Jahren schuf er sich ein zweites Standbein als Schauspiellehrer, Coach und Dozent an verschiedenen Akademien. Für das Münchner Theater Halle 7 leitete er ab 2011 das Projekt Acting for Film 3. Halle 7 bot beschäftigungslosen Schauspielern für einige Monate, bezahlt vom Arbeitsamt, Workshops, Coaching und eine öffentliche Produktion, um sie in neue Engagements zu bringen. Diese Weiterbildungsinstitution übernahm das Theater Werkmünchen, das nun der Filmemacher Holger Borggrefe und eben Robert Spitz führen. Dadurch ist ihm mit 62 Jahren eine neue Funktion zugewachsen: Seit September ist er Intendant des Theaters Blaue Maus.
1993 eröffneten Claus und Sigi Siegert im früheren Kunstkeller Neuhausen ihr Theaterchen mit 45 Plätzen. Sie benannten es nach der Kult-Kleinkunstbühne Blaue Maus in Sigis Heimat Saarbrücken. 2017 zog sich das Ehepaar zurück, Nachfolger sollte vergangenen Juli das Werkmünchen werden. Weil dessen Führungsteam aber wegen eines Todesfalls auseinanderbrach, ist jetzt Robert Spitz das Gesicht und der Leiter der Blauen Maus. Er nennt sie kurz die Blaumaus. Schwierig wird die Finanzierung. Die Siegerts erhielten eine städtische Jahresförderung, die fällt jetzt weg. Ein neuer Betreiber muss sich erst drei Jahre durchwursteln, ehe er Jahresförderung beantragen kann. Werkmünchen steuert eine gewisse Rücklage bei, Spitz hofft natürlich auf Einnahmen, die bei 45 Plätzen überschaubar sind, sowie auf Subventionen für einzelne Produktionen. Von fünf Anträgen ist einer schon zugesagt für das Kinder- und Jugendtheaterprojekt »Spielverderber« von Schauspielerin Sabine Zeininger und Peter Rinderknecht im Frühjahr. 2018 müsse man von der Hand in den Mund leben, sagt Spitz. Doch er ist »wild entschlossen, einen Spielbetrieb zu installieren«, um später wieder dauerhaft gefördert zu werden: »Ohne Subventionen geht’s nicht, das wäre Selbstausbeutung.«
Das Programm musste er seit September aus dem Boden stampfen. Für die nächsten zwei Monate präsentiert er dank seiner guten Kontakte in der Theaterszene eine beachtliche Bandbreite. Am 9. Februar hat eine eigene Inszenierung Premiere: die deutsche Erstaufführung »Wer Hunger hat, soll Vögel gucken« der finnischen Autorin E.L. Karhu. Spitz möchte sich auf zeitgenössische Dramatik konzentrieren, auch auf Ur- und Erstaufführungen Münchner Autoren. Mit Regisseuren wie Eos Schopohl, Jochen Strodthoff und Bülent Kullukcu will er »künstlerische Partnerschaften anstiften«, damit sie als Stamm kontinuierlich hier arbeiten und das Theaterprofil prägen. Werkmünchen wird regelmäßig seine Aufführungen zeigen, dazu kommen Gastspiele und verschiedene Reihen. Alle zwei bis drei Monate soll der Magische Zirkel einen Zauberabend veranstalten. Einmal monatlich gibt’s die Blues-Session »Stormy Wednesday«. Und am 15. Februar kommt erstmals Martin Umbach mit seiner Lesereihe »Erhörte Wünsche«. Da kann jeder Zuhörer einen Text mitbringen, »egal, ob das Tagebuch der Oma, ein Celan-Gedicht oder einen nie abgeschickten Leserbrief«, erklärt Spitz. Ab 18.30 Uhr wird Umbach alles durchsehen, auswählen, ordnen und dann ab 21 Uhr lesen. Außerdem strebt Spitz Koproduktionen und Austausch mit anderen Theatern an, etwa mit dem Altstadttheater Ingolstadt oder den Kammerspielen Seeb in Kloten bei Zürich.
Derzeit ist der Spielplan noch recht gestückelt, später sollen eigene Produktionen bis zu zehn Mal gespielt werden. Stemmen kann der Hausherr das nur mit helfenden Mitarbeitern wie seiner Dramaturgin Barbara Kastner. Die Musiktheater-Regisseurin Cornelie Müller, mit der Spitz viel gearbeitet hat, unterstützt ihn mit der Grafik der Programmflyer und einem Bühnenbild. Er hofft, einen Kreis von Leuten zu schaffen, an den er delegieren kann. »Ich will nicht jeden Abend im Theater sein müssen«, sagt er. Denn Spitz wird weiterhin unterrichten und als Schauspieler tätig sein – er muss fürs eigene Leben Geld verdienen. Eigentlich wollte er ja noch kurz zuvor fest ans Theater Landshut gehen bis zur Rente. »Jetzt ist’s anders gekommen«, lächelt er. ||
WER HUNGER HAT, SOLL VÖGEL GUCKEN
Theater Blaue Maus| Elvirastr. 17a | 9., 10., 14., 16., 17., 21., 23. Feb., 2., 3. März| 20 Uhr | Tickets: 089 182694
karten@theaterblauemaus.de
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