So entspannt wie Julian Lage spielt derzeit kaum ein anderer Gitarrist. Im Januar kommt er nach München.
Stell dir vor, du bist zwölf Jahre alt, seit einer Weile Jazzfan, das Telefon klingelt, ein gewisser Gary Burton sagt, er hätte dich mit einer megajungen Band bei den Grammy Awards im Fernsehen gesehen. O. k., du bist Julian Lage, es gab einen Film über dich als achtjähriges Gitarristenwunder, und du hast schon mal mit Carlos Santana und Pat Metheny auf der Bühne gestanden. Aber der Vibrafonmeister Gary Burton will öffentlich mit dir über Musik diskutieren und nimmt dich wenigspäter in seine ständige Band auf. Auf CDs mit den bezeichnenden Titeln »Generations« (2004) und »Next Generations« (2005) kann man anhören, warum nicht nur Burton fasziniert von dem Teenager aus der San Francisco Bay Area war. Es folgten parallel eine solide Ausbildung, viele Soloauftritte, Kumpaneien mit Bluegrass-Helden wie Bela Fleck, Jazzcracks wie Eric Harland oder Fred Hersch. All das auf der jazztypischen, akustischen Archtop-Gitarre, die live zumeist verstärkt werden musste und dann nicht mehr so klang, wie Julian sich das vorstellte. Für seine erste Trioaufnahme wechselte er deshalb das Lager und besorgte sich ein Instrument, das bevorzugt von Country- und Rockmusikern gespielt wird, nicht ganz überraschend allerdings auch von Bill Frisell und John Scofield, eine Fender Telecaster mit dem von Rockabilly- und Surfmusic-Gitarristen besonders geschätzten obertonreichen Sound. So wurde aus dem akustischen Julian einer, der nicht mehr mit dem Verstärker haderte, sondern ihn als Einheit mit der Gitarre betrachtet. Als ein »wunderschönes, dynamisches Instrument« bezeichnet er jene Verbindung, die zugleich seinen stilistischen Vorlieben sehr entgegenkommt: Americana aller Art, Jazz nahe an Country, Rock und Folk.
Zwei vielseitige Kollegen der New Yorker Szene konnte er für sein »elektrisches« Trio gewinnen, den Bassisten Scott Colley und Kenny Wollesen am Schlagzeug, beide erfahren im Umgang mit Gitarristenkollegen wie John Scofield, Bill Frisell und Julians Lieblingsmusiker Jim Hall. Große Namen also, aber bei einem Konzert auf der Branchenmesse »jazzahead« in Bremen 2017 gelang Julian locker der Beweis, dass sein Konzept auch mit zwei nun für die Unterfahrt angekündigten Nicht-so-Prominenten wunderbar funktioniert: Jorge Roeder am Kontrabass und Schlagzeuger Eric Doob. Die beiden klingen, als hätten sie ebenfalls bei Scofield und Frisell gelernt, wie man Grooves von gut abgehangenen Songs aus der Zeit, als »Country, Jazz und Swing noch in ihrer schrägsten Wild-WestPeriode steckten« (O-Ton Julian), minimalistisch auf den Punkt bringt, aber auch frei improvisierte Avantgardeabenteuer integriert. Das ist fast schon eine Neudefinition von cool. »Arclight« heißt ihre 2016 veröffentlichte Sammlung kurzer, eingängiger Songs, darunter viele Pre-Bebop-Tunes wie »Persian Rug« von 1927, aber natürlich auch julianische Lageerkundungen, die bis ins Reich der Dissonanzen führen, ohne je abstrakt zu klingen. Ohrwürmer, auch mal schräg, live zuverlässig freudentränentreibend. Möge das neue Album »Modern Lore« im Februar ein würdiger Nachfolger von »Arclight« werden. ||
JULIAN LAGE TRIO
Jazzclub Unterfahrt| Einsteinstr. 42 | 18. Jan.| 21 Uhr
Tickets: 089 4482794
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