Im Dezember kommt ihr neuer Film »Forget About Nick« in die Kinos. Doch die hochdekorierte Regisseurin Margarethe von Trotta (»Die bleierne Zeit«, »Rosa Luxemburg«) ist mit ihren Gedanken längst beim nächsten Projekt, einer Dokumentation über Ingmar Bergman, den sie selbst ihren Meister nennt.

Die Filmemacherin Margarethe von Trotta | © Concorde Film

Frau von Trotta, Sie sind letzten Februar 75 Jahre alt geworden. Trotzdem sind Sie als Regisseurin aktiver denn je. Woher nehmen Sie nur die Energie?
Ich bin tatsächlich permanent unterwegs, vielleicht hält genau das mich fit. Im Moment arbeite ich an einem Dokumentarfilm über Ingmar Bergman, der Anlass ist dessen 100. Geburtstag im Juli kommenden Jahres. Dafür war ich gerade auf Fårö in Schweden. Insgesamt war dieses Jahr wirklich besonders viel los, ich konnte noch nicht einmal Sommerferien machen, bin also nicht in mein geliebtes Italien gekommen.

Eine Dokumentation über den Dramaspezialisten Ingmar Bergman und Ihr neuer Spielfilm, die Komödie »Forget About Nick« –gegensätzlicher könnten Ihre aktuellen Projekte kaum sein.
Allerdings. Wobei auch Bergman am Anfang seiner Karriere ein paar Komödien gemacht hat. Als »normaler« Kinogänger denkt man natürlich an seine düsteren Filme, die er auf Fårö gedreht hat. Aber auch sein Spätwerk »Fanny und Alexander« hat, zumindest teilweise, heitere Momente.

Gerade seine Dramen verlangen dem »normalen« Zuschauer doch immer wieder einiges ab. Was fasziniert Sie persönlich an dem schwedischen Regiegenie?
Bergman ist mein Meister gewesen. Ich kam damals als junges Mädchen aus Düsseldorf zum Studium nach Paris, und dort habe ich Studenten getroffen, die von der Nouvelle Vague total begeistert waren und mich immer ins Kino geschleppt haben. Aber der erste Film, den ich im Quartier Latin gesehen habe, und zwar im Champollion, einem Kino, das es übrigens immer noch gibt, war »Das siebente Siegel«. Da habe ich plötzlich gemerkt, was Film sein kann, dass er alles andere, was mich damals interessiert hat, wie etwa Musik und Kunst, enthält. Das war für mich wie eine Initiation. Ich hätte natürlich nie gedacht, dass ich es jemals schaffen würde, Regisseurin zu werden. Aber dieser Wunschtraum ist damals entstanden.

Gab es denn im Lauf Ihrer späteren Karriere Begegnungen mit dem Meister?
1990 saß ich mit ihm zusammen in einer Jury. Hierfür hatte er sich die Mitglieder selbst ausgesucht. Damals sagte Bergman zu mir, dass er meinen Film »Die bleierne Zeit« sehr schön findet. Ich habe dies als Versuch gewertet, mich auf freundliche Weise in die Jury einzubinden. Aber zwei Jahre später hat ihn das Filmfestival von Göteborg um eine Liste jener Filme gebeten, die ihn sehr beeindruckt oder gar beeinflusst haben. Darauf befanden sich die Werke von elf Regisseuren, unter anderem von Kurosawa, Fellini und Tarkowski. Und ich stand als einzige Frau und als Jüngste, sozusagen als Letzte auf der Liste. Mittlerweile sind Bergman und alle anderen Kollegen, die er damals notiert hatte, tot. Also habe ich mich gewissermaßen verpflichtet gefühlt, diese Dokumentation über ihn auch zu realisieren.

Davor haben Sie sich mit »Forget About Nick« einer Komödie angenommen, einem Genre, das man Ihnen jetzt nicht zwangsläufigzuschreiben würde.
Nein, natürlich nicht. Da kommt ja kein Mensch drauf, weil ich mich oftmals für »schwere« Frauengestalten aus der Geschichte oder generell für stark emotionale Beziehungen interessiert habe. Aber dieses Genre fehlte mir noch, und ich hatte einfach Lust, mal etwas anderes zu machen.

Nun sagt man ja, Menschen zum Lachen zu bringen, gehört mit zur schwierigsten Kunst. Können Sie das nun retrospektiv nach Ihrer ersten Komödie bestätigen?
Ich habe für fast alle meine Filme das Drehbuch entweder allein oder mit jemandem zusammen geschrieben. Jetzt ist es das erste Mal, dass das Skript von jemand anderem stammt, nämlich von Pam Katz, mit der ich auch schon vorher mehrmals zusammengearbeitet habe. Ich war also praktisch nur das ausführende Organ. Denn ich hätte es mir gar nicht zugetraut, eine Komödie zu schreiben.

Was in Ihrem Œuvre auffällt, ist, dass Sie zahlreichen Schauspielerinnen zu herausragenden Leinwandauftritten verholfen haben, darunter auch schon Katja Riemann, die nun in »Forget About Nick« wieder die Hauptrolle spielt. Hat dies auch mit Ihrer eigenen Vergangenheit als Darstellerin zu tun?
Auf jeden Fall. Ich weiß einfach, was Schauspielerinnen vor der Kamera empfinden, was sie erleiden müssen. Ich unterrichte ja auch Regie und Schauspielführung. Und ich sage meinen Schülern stets: Ihr müsst mindestens einmal in eurem Leben vor der Kamera agiert haben. Sonst werdet ihr nie begreifen, wie ausgesetzt man sich als Darsteller fühlt. Insofern kann ich meinen ehemaligen Kolleginnen durchaus beistehen. Außerdem liebe ich sie, das ist schon mal sehr wichtig. Auch Bergman hat übrigens immer gesagt: Man muss seine Schauspieler lieben, man muss ihnen vertrauen, und sie müssen einem vertrauen.

»Forget About Nick« startet am 7. Dezember in den Kinos. Im Vorfeld waren im Netz schon erste Kritiken zu lesen. In einer stand etwa, Ihr Film habe zu wenig Witz für eine Komödie.
Wenn man in Maßstäben von »Fack Ju Göhte« oder ähnlichen deutschen Komödien denkt, dann mag das schon sein. Aber wir haben es hier ja nicht mit einer typischen Schenkelklopfkomödie zu tun, sondern mit einer so genannten Sophisticated Comedy.

Apropos sophisticated. In diesem Zusammenhang müssen wir natürlich über einen weiteren großen Meister reden, der beim Drehbuch sicherlich eine entscheidende Rolle gespielt hat: Woody Allen.
Das ist richtig. Pam Katz ist jüdischer Abstammung und stammt aus New York. Beides trifft auf Woody Allen ebenfalls zu. Deshalb besitzen sie auch einen ähnlichen Humor. Diesen ganz speziellen Witz kriegen wir hier in Deutschland vielleicht gar nicht hin.

Letzte Frage: In welchem Stadium befindet sich Ihr Film über Bergman?
Zwölf Drehtage sind bis dato im Kasten. Ich habe große Hochachtung vor dem Projekt, weil es meine erste Dokumentation ist. Und alle sagen mir, dass der Film erst im Schneideraum entsteht. Ich aber bin es gewöhnt, schon vor dem Schnitt zu wissen, wie mein Film aussieht. Außerdem habe ich noch kein Gespür, wie lange ich dafür benötigen werde. »Ingmar Bergman« soll natürlich spätestens am 14. Juli zu seinem 100. Geburtstag in die Kinos kommen. Ich hoffe, dass ich es rechtzeitig schaffen werde. ||

FORGET ABOUT NICK
Deutschland 2017 | Regie: Margarethe von Trotta | Mit: Ingrid Bolsø Berdal, Katja Riemann,
Haluk Bilginer | 110 Minuten
Kinostart: 7. Dezember
Trailer

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