Die Galerie Karl-Pfefferle präsentiert neue Arbeiten des US-Regisseurs David Lynch, der erst über die Malerei zum Film kam.
So ein Promileben kann verdammt anstrengend sein, deshalb suchen sich viele Hollywood-Stars ein Hobby, das Ausgleich verspricht. Manch einer landet dabei bei existenziellen Meditationstechniken; andere legen sich eine mittelschwere Beruhigungsmittelabhängigkeit zu oder treten dem nächstbesten Psycho-Kult bei; auffallend viele landen bei der Malerei. Egal ob Sylvester Stallone, James Franco oder Jim Carey, der jüngst seine Schaffenskraft anhand eines viralen Facebook-Posts unter Beweis stellte. Neben hibbeligen Komödienrollen und Ballerfilmen können wir nämlich auch tiefgründig sein – so der öffentlichkeitwirksame und vor allem Instagram-taugliche Tenor der Inszenierungen. Nun sei einmal dahingestellt, ob sich das Hollywood-Personal mit der Öffentlichmachung seiner Kreationen einen Gefallen tut, die schiere Inflation der Promikunst allein kann beim Beobachter für Genervtheit sorgen. Braucht es tatsächlich noch einen weiteren malenden Filmstudiopinsel, fragt man sich, wenn man vom bildenden Künstler David Lynch hört?
Kurzum, ja, den braucht es. Seine Ausstellung »Smiling Jack« in der Galerie Karl Pfefferle beweist dies. Es empfielt sich ein sonniger Herbsttag zum Besuch der Galerieräume im Hinterhof der wuseligen Reichenbachstraße – der Schock und die Sogwirkung der surrealen Arbeiten Lynchs zeigen dann nämlich ihren wirkungsvollsten Effekt auf den Ausstellungsbesucher: Sie leben von diesem Bruch, was darin begründet sein mag, dass Lynch seine teils ins Aberwitzige gesteigerten Alptraumvisionen auch von den heiteren Höhen seines Studios in den Hollywood Hills aus in die Kino- und Kunstwelt entlässt.
In »Smiling Jack« sind es neben Ölmalerei und Mischtechnik vor allem Aquarelle auf Papier, die das Zusammenspiel von Lynchs künstlerischem Schaffen und seinem Output als Filmemacher offenbaren. Es ist kein zufälliger Zusammenhang. Lynchs Künstlerlaufbahn begann mit der Malerei und dem Kunststudium an der Pennsylvania Academy of Fine Arts in Philadelphia, wo den Studenten aber schon bald die Sehnsucht nach dem Bewegtbild umtrieb, die ihn auf Umwegen in den 70ern in die Filmstadt L.A. und ans American Film Institute brachte. Lynchs Sujets sind seit dieser Zeit beständig: Metamorphosen, der Horror des Unbewussten und, immer wieder, der jähe Einbruch des Realen, der beständige Schock, der in die
Beschaulichkeit der Existenz einbricht und den Traum von der großen Happiness gründlich vernichtet – David Lynchs Werk liest sich wie ein einziger nicht enden wollender böser Witz über den amerikanischen Traum. In der Ausstellung handeln Arbeiten wie der titelgebende »Smiling Jack«, »All I Want From Christmas is Two Front Teeth« oder »Who is in My House«hiervon. Durchbrochen werden die Papierarbeiten von Wortfetzen, Sentenzen, die sich nicht selten wie unheimliche Imperative lesen. Von wem gesprochen?
Dies ist nicht die einzige Frage, die David Lynchs Werk offen lässt. Ein bisschen fühlt man sich nach der Ausstellung wie Lynchs Kult-Protagonist Agent Cooper, der in der aktuellen Staffel »Twin Peaks« nach geraumer Zeit des Aufenthalts in einer labyrinthischen Zwischendimension im Amerika des Jahres 2017 ausgespuckt wird. Dem FBI-Mann ist alles ein bisschen viel und er wünscht sich nichts inniger als eine Tasse Kaffe und ein großes Stück Kuchen. Genießen wir sie mit ihm, bevor uns die nächste Promikunst-Attacke wie ein Blitz trifft. ||
DAVID LYNCH | SMILING JACK
Galerie Karl Pfefferle| Reichenbachstr. 47–49 Rgb. | bis 4. November| Di–Fr 13–18 Uhr, Sa 12–16 Uhr
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