»David Lynch: The Art Life« spürt mit der Malerei einer frühen Passion des Kultfilmemachers nach und zeichnet ein intimes Porträt der Jugend des Regisseurs.
Ob das momentan ausgerufene goldene Zeitalter des Fernsehens tatsächlich so golden ist, wie so viele behaupten, sei dahingestellt. Was sich mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass es darin noch nie so herrlich verrückt und losgelöst von allen Fesseln der Erzählkonvention zuging, wie derzeit in der dritten Staffel der Serie »Twin Peaks«. Ihr Regisseur David Lynch knüpft darin genau da an, wo er vor 25 Jahren aufgehört hat. Damals hatte das US-Network NBC beschlossen »Twin Peaks« einzustellen. Seit einigen Wochen nun ist das Revival der von Fans kultisch verehrten Show über den Mord an der Highschool-Schülerin Laura Palmer auf dem Bezahlkanal Showtime zu sehen, in Deutschland ist die Sendung auf Sky abonnierbar.
Was die Zuschauer darin zu sehen bekommen, ist nicht ganz das, was die von Netflix und Co. geprägten Publikumskonditionierungen erwarten lassen. Denn an einem sich von Plotpoint zu Plotpoint hangelnden Erzählfernsehen aus der Schmiede des Writers Room hat Lynch offenbar wenig Interesse. Chaos und totales Delirium treten bei ihm an die Stelle von Schema und (Erzähl-)Struktur, nicht aber ohne eine künstlerische Vision zu offenbaren, die sich durch das filmische Werk Lynchs zieht. Dieser spürt nun der Dokumentarfilm »David Lynch: The Art Life« der Regisseure Jon Nguyen, Rick Barnes und Olivia
Neergaard-Holm nach. Lynchs Blick offenbart nicht nur das Unheimliche dem der Wirklichkeit zugrunde liegenden Unbewussten, sondern fasst den Spuk des Augenscheins selbst ins (Kamera-)Auge. Zu zeigen, dass diese Weise des Sehens bereits mit den malerischen und skulpturalen Arbeiten Lynchs ihren Anfang nimmt, ist ein Verdienst dieses Dokumentarfilms. Er zeichnet auch den Weg Lynchs von Philadelphia nach L.A. nach, wo der vergeistigte junge Maler an der Filmschule erste (ziemlich gelungene) Kino-Gehversuche unternimmt.
Das berühmte kalifornische Licht sieht bei Lynch anders aus als bei anderen, und das hat einen Grund: »Farbe ist für mich zu real. Sie lässt wenig Platz für Träume. Je mehr schwarz man zu einer Farbe mischt, umso mehr Traumqualität bekommt sie. […] Schwarz hat Tiefe. Schwarz ist wie eine kleine Pforte. Man tritt ein, und weil es dahinter immer noch dunkel ist, setzt die Fantasie ein und vieles, was da drinnen vor sich geht, manifestiert sich. Man sieht das, wovor man Angst hat.«
»The Art Life« ist auch eine (Auto-)Biografie Lynchs, dessen Stimme im Voice-over zu hören ist. Gewidmet ist der Film seiner kleinen Tochter – Lula Lynch. Wenn er sich an sie wendet, scheint sich bei ihr kein bisschen Trübnis ins Bild zu mischen. ||
DAVID LYNCH: THE ART LIFE
Dokumentarfilm | Regie: Jon Nguyen, Rick Barnes und Olivia Neergaard-Holm | Mit: David Lynch | 88 Minuten
Kinostart: 31. August
Trailer
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