Romeo Castelluccis »Tannhäuser« spaltet das Publikum. Denn es fehlt die Linie.
Der Jockey-Club, der einst die Pariser Erstaufführung sprengte, weil er das Ballett im zweiten Akt vermisste, hätte in der Bayerischen Staatsoper zwar kein Bacchanal verpasst, aber barbusige Amazonen. Die sind eine gefühlte Ewigkeit damit beschäftigt, auf ein Auge, das sich zum Ohr wandelt, zu zielen. Im Venusberg sehen wir vorgeburtliche Fleischberge aus Gummi und Fett in Rosa um eine Venus (Elena Pankratova) als steinzeitliche Urmutter wabern, von der sich Tannhäuser verständlicherweise angeekelt abwendet. Im zweiten Aufzug wallen Stores durch die »teure Halle«– mal Wände, mal durchsichtige Säulen symbolisierend, während sich 24 nicht durchweg weibliche Blondinen in fleischfarbenen Trikots perfekt im Einklang auf dem Boden räkeln. Im dritten Aufzug finden wir uns nach dem Gebet Elisabeths bei deren und Tannhäusers sterblichen Überresten wieder, nacheinander aufgebahrt in sieben Verwesungsstadien bis hin zur Asche! Am Ende vereinigen sich beide mit einer Handvoll Staub und reihen sich in den Schlusschor ein.
Romeo Castelluccis zweite Wagner-Regie nach einem stimmigeren »Parsifal« (Brüssel 2011) spaltete am Ende das Publikum, denn der italienische Konzeptkünstler, Bühnen- und Kostümbildner hatte sich zwar viele Gedanken gemacht, verweigerte jedoch die Personenregie. Sein philosophisch-archaischer Kommentar hätte vielleicht in einer Kunstausstellung fasziniert, als Inszenierung versagt er. Ein einziges Mal besitzt der Abend visuelle Kraft: Wenn die Ritter als Jagdgesellschaft auf Tannhäuser treffen, benetzen sie ihre Münder mit dem frischen Blut eines gerade erlegten Hirsches. Als Letzter wird der waidwunde Tannhäuser von Wolfram imprägniert, bevor der Landgraf das Futter seines Mantels nach außen kehrt und den widerwillig zurückgekehrten Sänger zum Tier macht mit blutigen Knochen. Derweilen verteilt sich kreisend Blut über ein weißes, rotierendes Rund im Hintergrund.
Klaus Florian Vogt plagt sich mit seinem hellen, nicht gerade farbreichen Tenor als grüblerisch-sinnlicher Tannhäuser. Christian Gerhaher muss bei »Blick ich umher in diesem edlen Kreise« ein extrem langsames Tempo mit Spannung füllen, beglückt aber zusammen mit dem Staatsorchester, das feinste Kammermusik bietet, in seiner Szene um das »Lied an den Abendstern«. So intensiv leuchtend Anja Harteros die Elisabeth auch singt, so sehr bleibt sie szenisch ein Neutrum, selbst dann, wenn Castellucci sie anfangs wie nackt unter ihrem durchsichtigen Kleid erscheinen lässt. Der kultiviert singende Georg Zeppenfeld befindet sich als Landgraf szenisch ebenso auf verlorenem Posten wie der exzellente Chor, auchwenn er den gewaltigen Goldenen Felsen der Sünde nach Rom transportieren darf und als erlöster Büßer mit dem in kleine Portionen geteilten und nun heilenden Stein nach Hause zurückkehrt. Wenig wohl fühlte sich angesichts der Szene auch Kirill Petrenko am Pult, denn vieles zerfiel in schöne, selten so exquisit gehörte Details. Oder lag dieser Eindruck daran, dass die alles absorbierende Szene ein konzentriertes Hören und Wahrnehmen schlicht unmöglich machte? ||
TANNHÄUSER
Nationaltheater| ausverkauft | Oper für alle
am Max-Joseph-Platz | 9. Juli| 18 Uhr | Eintritt frei
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