Schauburg: Beat Fäh macht Schluss mit der Bühnenregie. Zum Abschied hat er dem Theater »La Strada« geschenkt.
Vergewaltigen geht hier so: Zampanò zieht sich sein schwarzes Überhöschen herunter und stellt sich dicht hinter Gelsomina. Und weil Thorsten Krohn das ohne jeden emotionalen oder Handlungs-Schnickschnack macht, steckt schon genügend Gewalt in der Szene.
In Federico Fellinis »La Strada« geht es zwischen einfachen Leuten, Gauklern und Schaustellern nackt ums Überleben. Nur Gelsomina, das geistig arme und vielleicht gerade deshalb seelisch intakt gebliebene Mädchen, bringt ein wenig Wärme in den harten Straßen-Alltag. Lucca Züchner spielt sie in Beat Fähs Schauburg-Inszenierung mit linkischen Bewegungen, neugierig gen Zukunft vorgestrecktem Kopf und strahlender innerer Sonne. In Carolin Mittlers nachlässig getünchtem Zirkusrund wird sie am Ende dennoch gestorben sein; aber Züchner wird deshalb nicht aufhören zu erzählen.
Denn Fellinis traurige Geschichte bleibt in Fähs Fassung stets ein von allen gemeinsam vorangetriebenes Prosa-Gespinst, in dem Figuren mit eingesponnen sind, in die man hinein- und wieder herausschlüpfen kann wie in verlassene Kokons. Die bezaubernde Regina Speiseder, der athletische Nick-Robin Dietrich, der kauzige Peter Wolter, der wie ein Hoffnungsstrahl in Gelsominas Leben hineinscheinende Markus Campana als Matto, der selbst Gemeinheiten wie »das perfekte Posaunentrampelgesicht« mit Charme vorbringen kann: Sie alle sind wunderbar und wunderbar selbstverständlich Teil eines seltsam-surrealen Ganzen.
Zuweilen wirkt das gemeinsame Erzählen unnötig umständlich, meist aber entwickelt der Abend für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren einen unwiderstehlichen Sog. Das liegt an den Schauspielern, die leider zum Ende der Spielzeit alle die Schauburg verlassen. Und das liegt an Beat Fäh, der mit »La Strada« den Schlussstrich unter eine große Regiekarriere setzt. Künftig wird der 64-Jährige nur noch Schweizer Spitzensportler trainieren. Und auch am Elisabethplatz geht es zum Abschied sportlich zu: In und auf bis zu drei Rhönrädern gleichzeitig wird hier geturnt, balanciert oder auch einfach nur gehockt. Schauspieler werden in ihnen festgesetzt, weil die Figur, die sie gerade spielen, verhaftet ist – oder zu vorübergehenden Schicksalsgemeinschaften zusammengespannt.
So ein großes Rad fokussiert den Blick und strukturiert die Bühne immer wieder neu, auf der es überdies beständig tönt. Von Fantasiesprachen, Schnalzgeräuschen im Galopp-Rhythmus und traurig quakenden Schritten – oder der Instrumentenpark auf dem Buckel des als Stier kostümierten Geräuschemachers Greulix Schrank tritt in Aktion. Alles zusammen ist zart, poetisch, grausam, ganz anders als der Film und sehr besonders. ||
LA STRADA
Schauburg | 23. Feb., 19.30 Uhr | 24. Feb., 10.30 Uhr
25. Feb.20 Uhr | 17. März,19.30 Uhr | 18. März,20.00 Uhr
Tickets: 089 2337155
Das könnte Sie auch interessieren:
Lach- und Schießgesellschaft: Interview zur Wiedereröffnung
Fastfood Theater: Ein Rendezvous zum Jubiläum
Zukunft des Kulturjournalismus? Dorte Lena Eilers im Gespräch
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton