Bei ihm liegt München am Meer und Delfine schwimmen an der Bavaria vorbei. Herrscher sind wie Hausmeister, und Weltgeschichte findet in der kleinbürgerlichen Wohnküche statt. Stefan Kastner zelebriert die gepflegte Fallhöhe zwischen Philosophie und Banalität des Alltags und geht stilistische Mesalliancen ein, deren Abseitigkeit einem ganz normal vorkommt. In seinem neuesten Stück »Der Trojanische Krieg« am Pathos Theater verwebt er Kriege mit Familiengeschichte. Mit dabei ist außer den Kastner-Kosmos-Urgesteinen Rainer Haustein und dem Müttergesangverein die Achternbusch-Schauspielerin Gabi Geist. Und ein Wiedersehen mit Viola von der Burg gibt es auch.
Der trojanische Krieg
Wo die Antike aufs Dorfwirtshaus trifft

Horst Kaschubek (Stefan Kastner) verbessert das deutsch-französische Verhältnis in »Ich legte mich dem Publikum zu Füßen« © Franz Kimmel
Stefan Kastner ist ein Mann, dessen Assoziationsketten unaufhörlich rasseln. Eine stößt die nächste an, wie beim Domino. Aber er geht ihnen nach, recherchiert die Themen, macht sich kundig. Der 61-Jährige ist Opernsänger, Autor, Regisseur, seit 2008 inszeniert er in der Münchner freien Szene seine fantasievollen, oft surrealen Stücke. Das letzte von 2024, »Ich legte mich dem Publikum zu Füßen«, über die deutsch-französische Freundschaft, zeigt er noch mal bis 8. Juni im Schwere Reiter. Am 25. Juni hat im Pathos Theater sein neues Stück »Der Trojanische Krieg« Premiere. Und weil ihn die Antike fasziniert, führt auch hier der Weg von Bayern in die mythische Vorzeit.
Stefan Kastner ist ein Mann, dessen Assoziationsketten unaufhörlich rasseln. Eine stößt die nächste an, wie beim Domino. Aber er geht ihnen nach, recherchiert die Themen, macht sich kundig. Der 61-Jährige ist Opernsänger, Autor, Regisseur, seit 2008 inszeniert er in der Münchner freien Szene seine fantasievollen, oft surrealen Stücke. Das letzte von 2024, »Ich legte mich dem Publikum zu Füßen«, über die deutsch-französische Freundschaft, zeigt er noch mal bis 8. Juni im Schwere Reiter. Am 25. Juni hat im Pathos Theater sein neues Stück »Der Trojanische Krieg« Premiere. Und weil ihn die Antike fasziniert, führt auch hier der Weg von Bayern in die mythische Vorzeit.
So weit, so nachvollziehbar. Aber dann kommt als Film ein zweiter Strang ins Spiel. »Die Troerinnen« von Euripides sind angereist: Hekabe, Andromache, Kassandra und Helena. »Man weiß nicht genau, wo wir sind«, sagt Kastner. »Einerseits im Norden von Freising, andererseits unterhalb der zerstörten Burg von Troja.« Der Hof liegt nämlich eigentlich bei Neumarkt in der Oberpfalz, im Dorf Laaber unterhalb der Burgruine Wolfstein. »Da kommt mein Vater her. Und dort hat ein Cousin noch einen Hof. Da können wir zwei Tage unbehelligt drehen«, erklärt Kastner.
Die Überlebenden des Trojanischen Kriegs sehen im Dorf ihrer Kindheit, wie alles wächst und gedeiht. Eine Theatergruppe spielt »Warten auf Godot« nur mit Frauen (streng verboten vom Autor Samuel Beckett!). Den früheren Arzt Dr. Gottschelewski (René Dumont), der als Jude in einem hohlen Lindenbaum die Nazis überlebt hat, halten die Troerinnen für Achill, der Penthesileas Grab sucht, und die DAK-Leiterin verliebt sich in ihn. Den »Judendoktor« gab es tatsächlich, das weiß Kastner aus den Memoiren seines Onkels. Die Tante erzählt viel von ihrem Vater, ihn verkörpert Kastner selbst als »Ewigen Kriegsteilnehmer«. Hier setzt er seinem Großvater ein Denkmal, der in zwei Weltkriegen kämpfte und beide »relativ unbeschadet« überstand. »Ich wollte der Kriegsgeschichte meines Großvaters die Geschichte des Trojanischen Kriegs, dem Krieg schlechthin, gegenüberstellen und hiermit auch meinen Großvater würdigen.« Er hat dessen Geschichte in Archiven recherchiert und war »fassungslos« angesichts der »unendlich vielen sinnlos gefallenen Menschen«. So erzählt dieser Mann querbeet von römischen Legionären in Bayern, von bairischen Soldaten, von Kriegszügen mit Kurfürst Max Emanuel und erinnert sich an das Trojanische Pferd.

Die Suche nach neuen Köpfen für die Ruhmeshalle findet in »Die Rückkehr der Delphine« zwischen Küchenzeile und Gelsenkirchner Barock statt | © Franz Kimmel
Dessen Überreste glaubt Gustl in verkohlten Holzbalken entdeckt zu haben und will diese wieder zusammenbauen, um die Ex-Kriegsjournalistin zu beeindrucken. Indes schauen die Troerinnen (unter ihnen Viola von der Burg) von der Burg aus auf das Treiben der Menschen. Vielleicht taucht auch noch Lee Millers Fotografen-Freund Man Ray auf, um sie wieder mitzunehmen. In jedem Fall wird jedoch der Müttergesangsverein wie schon oft in Kastner-Stücken wundersam über die Szene geistern. ||
DER TROJANISCHE KRIEG
Pathos Theater | Dachauer Str. 110d | 25.–29. Juni | 20 Uhr (So 18 Uhr) | Tickets
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