In Venedig, der Stadt, die ohne visionäre Lust gar nicht existieren würde, überbieten sich bei der Architekturbiennale Praktiker und Wissenschaftler mit Ideen für die Zukunft.

Architekturbiennale Venedig

Welt im Stresstest

architekturbiennale

Rotglühend wie Eisen: Still aus dem »STRESSTEST«-Video | © Patricia Parinejad

Die Einigkeit der Präsentationen ist so verblüffend wie erschütternd: Alle vertretenen Länder aus allen Erdteilen wissen, worauf es ankommt, um den blauen Planeten als Lebensraum auch in Zukunft zu erhalten. Hochtechnisierte AI-gestützte Präsentationen voller Zahlen, Diagramme und Berechnungen treffen auf jahrtausendealtes Handwerk. Konkret und abstrakt, digital und analog kommt man zur selben Aussage: So, wie es ist, kann es nicht weitergehen. Das Erschreckende daran ist: Keine Regierung nimmt dies so ernst, dass sie sofort ihre Politik darauf abstimmen würde. Vielmehr ist nahezu überall das Gegenteil der Fall (Braunkohleabbau, Atomenergie, kein Tempolimit, zu viel Versiegelung, CO₂-Ausstoß und Umweltverschmutzung durch militärische Zerstörung, etc. etc.). Man begegnet auf dieser Biennale, die Kurator Carlo Ratti mit »IntelliGENS« überschrieben hat, dem Kampf der Experten gegen die Windmühlen der Dummheit.

Ästhetik des Untergangs: Es tropft

Zwei Tage sollte man einplanen, um sich im unvergleichlichen Ambiente der Biennale einen Überblick zu verschaffen. Ein paar Highlights zwischen Kunst und Wissenschaft seien hervorgehoben, die auch interessierte Laien nachhaltig beeindrucken. Betritt man das Arsenale, erlebt man schon den ersten Wow-Moment: In einer riesigen Werfthalle hängen vom Holzdachstuhl unzählige Klimaanlagen, die auf Hochtouren laufen. Das Kondenswasser tropft in große Wasserbecken, zwischen denen die Besucher in der schwülen Hitze entlangmäandern. Die Installation verbindet Sound, Luftbewegung und Raumtemperatur zu einer hoch-ästhetischen Interpretation der Katastrophe, in der wir uns schon längst befinden. In den folgenden Hallen des Arsenale pressen sich Ideen und ihre Materialisierungen dicht an dicht aneinander: Man durchwandert labyrinthische Spiegelkabinette in Grün, pflanzenfreundliche Modelle von Wohnsiedlungen, hier und da begegnet man Oasen, die zum Rückzug ins Idyll verführen, es gibt Teezeremonien und chinesische Papierhandwerkskunst, kunstvolle Varianten von schattenspendenden Dächern aus Zellstoffen, Wolle oder recyceltem Material. Überhaupt spielt der Materialkreislauf eine enorme Rolle, fast keine Station kommt ohne die Betonung der Wiederverwertbarkeit aus. Baumaterialien werden dank Hochtechnologien aus Bananenfasern, Algen, Seegras, Muschelkalk, Pilzen oder Bakterien entwickelt, die alle schadfrei abbaubar sind.

architekturbiennale

Blick in den beruhigenden »DESTRESS«-Raum des deutschen Pavillons | © Patricia Parinejad

Dem 3D-Druck, dessen Möglichkeiten im Bauwesen derzeit noch bei Weitem nicht ausgeschöpft werden, kommt künftig enorme Bedeutung zu. Venedig thematisiert sich mehrfach selbst unter dem Titel »Intelligent Venice« und entwirft Szenarien, wer künftig in der untergehenden Stadt leben wird. Man geht entlang an zahlen- und faktenüberfluteten Bildtafeln und Installationen, in denen auch mal ein Roboter musiziert oder etwas repariert, man steht vor Videos und Leuchtkästen und versucht sich in diesem Informations-Tsunami zu orientieren. Um die AI-Zusammenfassungen an den jeweiligen Erklärtafeln zu lesen, muss man in die Knie gehen, und bis man wieder steht, hat man schon wieder die Hälfte vergessen. Die Hauptausstellung im Arsenale ist eine Herausforderung für Körper und Geist – umso dankbarer nimmt man das Angebot an, ein paar Minuten in einer duftenden Strohhütte zu verharren. Im NASA-Zelt betrachtet man »Space Gardens«, einen Bonsai-Park unter Glaskuppeln, und sinniert über die Mars-Kolonialisierung.

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


Das könnte Sie auch interessieren: