Der Münchner Jungdirigent Maximilian Haberstock leitet sein eigenes Orchester. Das ist schön, macht aber viel Arbeit.
Maximilian Haberstock
Fleisch mit Soße

Maximilian Haberstock | © Ralf Dombrowski
Wer dirigiert, fällt aus dem Rahmen. Zwar werden einerseits Musiker:innen immer jünger. Wer es in den ersten zwei Lebensjahrzehnten noch nicht geschafft hat, im größeren Rahmen auf sich aufmerksam zu machen, gilt im Klassikgeschäft schon als Spätzünder. Dirigent:innen allerdings brauchen mehr als Fertigkeiten am Instrument. Sie müssen eine heterogene Menschengruppe leiten können und neben fachlicher Kompetenz auch die passende Autorität ausstrahlen, um das Wechselspiel von Gruppenenergien in eine künstlerisch aussichtsreiche Richtung zu lenken. Eine Portion Organisationstalent hilft außerdem, den Überblick zu behalten, dazu das Wissen um Strukturen und Logistik eines Orchesters, idealerweise gepaart mit einer Vision, die über Partituren hinausreicht. Das alles sind Herausforderungen, die Maximilian Haberstock schon als Teenager beschäftigten. Er wollte früh genug anfangen und gründete daher zu Schulzeiten sein eigenes Ensemble: »Ein Vorläufer des Jungen Philharmonischen Orchesters München entstand 2019. Da war ich 15 Jahre alt und suchte nach Erfahrungen, die ich mit dem Klangkörper machen könnte. Ich hatte vorher schon mit berühmten Dirigenten von Fabio Luisi und Mariss Jansons bis Manfred Honeck sprechen können und mir deren Ratschläge angehört. Bei einem waren sich alle einig: Dirigieren ist ein Erfahrungsberuf, das lernt man nur über Learning by Doing.«
Für ein erstes Projekt brachte Haberstock 20 Student:innen der Münchner Hochschule zusammen. Bei Mozart im Folgejahr kamen vier weitere Musiker:innen hinzu. Kurz bevor der zweite Lockdown das Kulturleben blockierte, gab es im Herbst 2020 ein Konzert, dann entwickelte sich das Team vorläufig auseinander. Haberstock übernahm in der folgenden Saison während des renommierten Verbier Festivals in der Schweiz eine Dirigierassistenz bei James Gaffigan und wurde von seinem Mentor ordentlich gefordert. Er dirigierte zahlreiche Proben, durfte als Konzertauftakt vor dem Maestro auch eine Berlioz-Ouvertüre präsentieren und sammelte neben Erfahrungen vor allem Kontakte zu Musiker:innen seiner Generation. Zurück in München wuchs in ihm dann der Gedanke, das eigene Orchester neu zu gründen: »Die Probenzeit bei Berufsorchestern ist immer sehr knapp, man kämpft um jeden Extratermin. Außerdem haben Profimusiker manchmal eine gewissen Beamtenmentalität. Keine Minute länger spielen als vereinbart, solche Sachen. Ich wollte eine eigene Plattform schaffen, wo ich freier agieren konnte. Einige Musiker, wie etwa die meisten Solobläser, kannte ich aus Verbier, einige Streicher waren auch von dort, den Rest habe ich über die Hochschule ergänzt.«
Und so startete 2023 der nächste Anlauf. Die Feuerprobe war ein Auftritt beim Münchner Stars And Rising Stars Festival, das ihn zuvor bereits als Pianisten gefördert hatte. Mendelssohns »Schottische« wurde im Carl-Orff-Saal gefeiert, das Junge Philharmonische Orchester München bewährte sich. Ein Jahr später folgte bei der nächsten Festivalausgabe das Doppelkonzert a-Moll von Brahms, mit Cellist Daniel Müller-Schott und dem Geiger Tassilo Probst als Solist. Wieder jubelte das Publikum und so war die Zeit reif, eigene Projekte anzugehen: »Langfristig wünsche ich mir ein stehendes Orchester, eigentlich ein neues Spitzenorchester, das aber kein ewiges Jugendensemble mit Altersgrenze sein soll. Eher ein Orchester aus meiner Generation und wir entwickeln uns zusammen weiter. Jedes Ensemble schafft sich ja eine eigene Mentalität, und ich fühle mich der deutschen Klangtradition sehr verbunden – bildlich gesprochen ›Fleisch mit Soße‹. Das ist auch die Grundrichtung, die ich dem Orchester mitgeben möchte. Mein Kernrepertoire ist Beethoven, Brahms, Wagner, ein bisschen Strauss, auch Mendelssohn, Schumann.«
Der nächste Schritt auf dem Weg sind nun zwei Konzerte mit Beethovens »Symphonie Nr. 7« und seinem »Klavierkonzert Nr. 5 ›Emperor‹«, am 2. Mai im Salzburger Mozarteum und am 3. Mai im Münchner Herkulessaal. Mit Maximilian Haberstock wird Eva Gevorgyan auf die Bühne kommen. Die russisch-armenische Pianistin ist bereits vielfach preisgekrönt und seit ihrem Studium in Moskau und Madrid viel auf internationalen Bühnen unterwegs. Nach dieser Etappe stehen Mozart, Schumann, Tschaikowski auf dem Orchesterplan, auf längere Sicht auch Opernprojekte. Dann wird Maximilian Haberstock auf seine Mittzwanziger zusteuern und schon einiges bewegt haben. ||
JUNGES PHILHARMONISCHES ORCHESTER MÜNCHEN / MAXIMILIAN HABERSTOCK, EVA GEVORGYAN: BEETHOVEN SYMPHONIE NR. 7, KLAVIERKONZERT NR. 5
Herkulessaal der Residenz | Residenzstr. 1 | 3. Mai | 19 Uhr | Tickets: 089 54818181 | Website
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