Zelensky verlässt das Bayerische Staatsballett

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Igor Zelensky © M. Leidgschwendner / Bayerische Staatsoper

Es ist anzunehmen, dass die Zahl jener, die nur darauf gewartet haben, erheblich größer ist als die derjenigen, die zweifelnd die Stirn runzeln: Der Direktor des Bayerischen Staatsballetts Igor Zelensky hat den Bettel hingeschmissen, angeblich aus familiären Gründen. Er tat dies, ohne die Forderung des neuen Kunstministers Markus Blume erfüllt zu haben, eindeutig contra Putin (und damit expressis verbis gegen den kriegerischen Überfall auf die Ukraine) Stellung zu nehmen. Dabei hätte Zelensky längst begreifen können, dass sein halbschariger Rückzug auf die reine Kunst, wodurch er sich verbal aus der Schlinge zu ziehen suchte, in Zeiten rigider, politisch korrekter Übereinkünfte kein Gewicht hat.

Der letzte von Zelensky verantwortete, großartige Ballettabend, der zur Eröffnung der Ballettwoche Premiere hatte, machte endgültig klar, wo es lang geht: Alexej Ratmansky, der international akklamierte Choreograf des Mittelstücks von dreien, der »Bilder einer Ausstellung«-Ratmansky, der rührige Kämpfer für die ukrainische Sache live und auf Facebook, entfaltete beim Verbeugen die ukrainische Flagge vor seiner Brust. Zelensky, der sich hinter einem Vorhang versteckt hatte, floh, dessen gewärtig, zusammen mit seiner Frau Yana im Laufschritt aus der Intendantenloge. Putins Krieg in der Ukraine macht noch vor kurzem einander gewogene Menschen zu Feinden.

Schon recht, Kunst per se ist politisch. Das Theater aber ist nur bedingt der richtige Austragungsort für politische Demonstrationen. Endgültig zu Fall gebracht aber hat Igor Zelensky ein auf Youtube nicht mehr auffindbares Video, das ihn als Berater für ein Kulturprojekt zusammen mit Putin zeigt. Ein Projekt, das vom Architekturbüro Coop Himmelb(l)au, vertreten durch Wolf D. Prix, auf der von Putin annektierten Krim in Sewastopol gebaut werden soll. Solche (bezahlte) Nähe zum Despoten, offenbar vor dem Krieg aufgenommen, reicht schon aus, Zelensky, im Ballettsaal gewiss ein Autokrat, der aber anders als Gergiev und Netrebko nie öffentlich seine Loyalität zu Putin erklärt hat, öffentlich an den Pranger zu stellen.

Der Verlauf dieser unschönen Geschichte passt trefflich zum aktuellen Gebot, wonach politische Korrektheit über allem steht. Wer sich nicht entsprechend verhält, wird geschasst. Handelt es sich um einen Künstler, wird er nicht mehr beschäftigt und sein Werk nicht mehr gezeigt. Tödlich für beide(s). Das nennt man dann cancel culture – ein trefflicher Euphemismus für die Unkultur der Zensur. Wer das aber gutheißt, befördert Gesinnungsschnüffelei und eine Art neuzeitlicher Hexenjagd. Dabei sollte man in Deutschland, wenn schon nicht aus der eigenen Geschichte, so doch zuletzt aus dem unsinnigen Radikalenerlass von vor 50 Jahren und den daraus erfolgten Berufsverboten gelernt haben.

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