Das Mozartfest Augsburg verdichtet seine digitale Kulturvermittlung.

Mozartfest Augsburg

Viel Bühne, mehr Netz

mozartfest

Sarah Christian und Maximilian Hornung spielen Freistil bei Mozartfest | © Marco Borggreve

»Was wäre Europa ohne seine Musik? – Und was wäre diese Musik ohne Mozart?« Natürlich lautet die Antwort auf Frage eins »wenig« und die einzig richtige auf Frage zwei »nichts«.

Aus diesen kompakten Informationsanreizen über den Einleitungstakten der »Kleinen Nachtmusik« entwickeln die Kulturjournalistin Sylvie Kürsten und die Dramaturgin Catherine Schumann für das vom 15. bis 29. Oktober unter dem Motto »Mozarts Europa – Europas Mozart« stehende Mozartfest Augsburg im Genre des digitalen Videoporträts etwas Neues. Sie befragen Spitzeninterpret*innen zum Konzertprogramm ihres Festivalkonzerts und dessen Hintergrund. Simon Pickel, Leiter des Mozartfests, scheut die im Corona-Jahr 2020 explosionsartig gestiegene Zahl von Streamings und will die Edel-Konzertreihe der Deutschen Mozartstadt Augsburg in der exklusiven Form ihres physischen Erlebniswertes schützen. Deshalb ist er noch lange kein Verächter des Informationskomforts der digitalen Multimedialität. Und natürlich will Pickel das Mozartfest, welches wie vor Corona eine beachtliche Anzahl großer Interpret*innen in den Kleinen Goldenen Saal und zum Abschlusskonzert im Parktheater Göggingen eingeladen hat, noch mehrins internationale Gespräch bringen. Weniger über soziale Netzwerke und Werbeplattformen als durch die Konzerte selbst sollen hochqualitative Konstellationen wie die Akademie für Alte Musik Berlin mit allen Brandenburgischen Konzerten an einem Abend oder Ian Bostridge und das Oberon Trio wirken.

Das mit der Augsburger Agentur YEAH gestaltete Digitalprojekt findet man im neuen Webauftritt. Die knapp zehnminütigen Videos haben ein genau umrissenes Themenspektrum. Sie sollen mehr sein als das Profilierungsforum für in allen Kontinenten auftretende Reisestars. Der mit einfachen Piktogrammen gebaute Vorspann führt zu einem von Wolfgang Amadeus, oft in Begleitung seines in Augsburg geborenen Vaters »Leopold M.« angesteuerten Reiseziel oder einem wichtigen Wirkungsort der porträtierten Künstler*innen. Das kann Paris sein – oder Prag und das Theater von Schloss Litomyšl, wo die Adelsfamilie
Waldstein-Wartenberg zum Vergnügen ihrer Gäste höchstselbst in Schauspielaufführungen auftrat. Václav Luks setzte dort Wolfgang Amadeus in Beziehung zu dem 19 Jahre älteren böhmischen Komponisten Josef Mysliveček. In Prag spekuliert Luks verschmitzt, ob Europa trotz der administrativen Papierkriege in Residenzen und Kleinstaaten vor der Französischen Revolution vielleicht sogar noch weltoffener war als unsere EU-Gegenwart. Die Kamera fängt ein, wie der freundschaftlichherzliche Umgang untereinander den dunklen, dabei überaus beweglichen und faszinierend stilkundigen Klang von Collegium 1704 beflügelt.

Die Porträt-Autorinnen Kürsten und Schumann durchschneiden aber auch idealtypische Klischees wie jenes, dass sich musikalische Schönheit nur aus schönen Gedanken speist. Alexandre Tharaud rahmt Wolfgang Amadeus in seinem Programm »Versailles & Beyond« mit Kompositionen von Lully und Liszt ein. Für den französischen Pianisten klingen in Versailles aus den galanten, pastoralen und malenden Stücken aber auch die Schatten von Gefahr und Gewalt, wie es beim Leben am Hof in der Nähe des Königs zum Alltag gehörte. Die Videoporträts wirken durch unverschnörkelte Bilder und sehr plastische, direkte Kameraperspektiven. Das aufwendige Digitalprojekt wurde durch eine Förderung der Kulturstiftung des Bundes ermöglicht. Es ist Teil jener längerfristigen Strategie Pickels, die einen konsequenten Kurs für die Sichtbarmachung des Mozartfests fährt und dabei den Anspruch einer profunden inhaltlichen Legitimierung verfolgt. Die Videos werden Konzertbesuche gewiss nicht ersetzen, diese jedoch durch intensive Hintergrundfarben und -fakten bereichern. ||

MOZARTFEST AUGSBURG 2021
Kleiner Goldener Saal | Augsburg /Göggingen | Parktheater im Kurhaus
15. bis 29. Oktober | verschiedene Zeiten
Tickets: 0821 324 3251

Mehr zur klassischen Musik in und um München gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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