Ernst Kreneks »Karl V.« ist ein Werk an der Epochengrenze. Die Staatsoper gibt ihm neue Kraft.

Bo Skovhus, ein ernster, finsterer Karl V. © Wilfried Hösl

26 Akrobaten, die in einem Karussell in der Luft hängen und an eine Weltkugel erinnern, sind nicht zwingend verbunden mit Ernst Kreneks »Karl V.«. Doch die Theatergruppe La Fura dels Baus und ihr Mitbegründer Carlus Padrissa setzen in der Bayerischen Staatsoper wieder auf Menschenmassen als ihr typisches Ausdrucksmittel. Mit der lebendigen, beweglichen und runden Formation auf der Bühne schaffen sie ein Sinnbild für die politische Einheit und das friedliche Zusammenleben, die der historische Kaiser ersehnte, um dessen letzte Stunden sich die Oper dreht. Vor Tizians Gemälde »Das letzte Gericht« legte er 1558 – nach der Abdankung und kurz vor dem Tod – seine Lebensbeichte ab. Er, der noch an das christliche Weltreich glaubte, ist an seinen Ideen gescheitert und reflektiert nun als Privatmann Karl bedeutende Situationen: Der Sacco di Roma taucht auf, Pizzarros Gemetzel an den Inka, sein Gegner Franz I., dem er die Schwester zur Frau gab, und Martin Luther.

Dass daraus kein fetter Historienschinken geworden ist, dafür sorgte der Komponist Ernst Krenek, der selbst das Libretto schrieb und Text, Figuren und Musik eng verknüpfte. In den 20er Jahren mit »Jonny spielt auf« am Podest, vollendete er mit »Karl V.« 1933 die erste Zwölftonoper der Musikgeschichte. In dertransparenten Tonsprache des Musikdramas hört Staatsoperndramaturg Benedikt Stampfli »viele tonale Bezüge, Dur- und Mollanklänge, obgleich es Zwölftonreihen sind«. Uraufgeführt wurde das »Bühnenwerk mit Musik« 1938 in Prag, als Krenek bereits nach Amerika emigriert war. Da zur Zeit der Komposition die Nationalsozialisten an die Macht kamen, hievt Krenek keinen erfolgreichen Alleinherrscher auf die Bühne. »Er wollte keinen Teppich ausrollen«, stellt Stampfli klar. Das Stück zeigt den Regenten in öffentlich-politischer Funktion, aber auch als privaten und einsamen Mann, der den Massen ausgesetzt war. »Krenek versuchte, die historischen Ereignisse auf seine Gegenwart umzumünzen und überlegte: Wie kann ich als Individuum gegenüber der Masse anders reagieren? Denn Karl hat eher reagiert, war nicht so der Impulssetzer wie sein Großvater Maximilian I. oder später Maria Theresia.«

Die Titelpartie der Neuinszenierung ist mit Bo Skovhus ideal besetzt. »Er zieht all seine schauspielerischen Fäden, ist mit der gesanglich schwierigen Partie ständig auf der Bühne und verkörpert, wie Karl ringt, kämpft, vonÄngsten und Zweifeln geplagt ist, schaudernd und erschütternd«, beschreibt Stampfli seine Probeneindrücke. Das Szenen-Kaleidoskop, das zwischen Fantasieu nd Realität, zwischen Traum und Wachen oszilliert, ist in dieser Inszenierung von den Zeitebenen losgelöst und wird mit Fura-dels-Baus-würdigen Spezialeffekten gezündet. Für Karl V. gilt es am Lebensende, die Verantwortung für seine Taten bewusst zu übernehmen. Denn solange er die Schuld von sich und auf das Schicksal weist, kann er keine Beichte ablegen. Manche Strukturen der einzelnen historischen Stationen desRegenten haben sich bis heute nicht verändert und auch die Frage nach der persönlichen Rechtfertigung ist brandaktuell. ||

ERNST KRENEK: KARL V.
Nationaltheater| 10. Februar, 14. Juli
18 Uhr | 13., 16., 21. Feb. | 19.30 Uhr
23. Feb.| 19 Uhr | Tickets: 089 21851920

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