Jakob Lass ist Experte fürs improvisatorische Drehen. In seinem neuen Film beweist er, dass sein Chaos-Prinzip auchauf Romanadaptionen anwendbar ist.
Es scheint unangebracht, einen Theologen aus dem 18. Jahrhundert in die Geschichte einer Abrissparty zu involvieren. Andererseits tanzt hier auch eine bauchfreie Nonne durch die Stroboskopblitze einer Hamburger Silvesternacht und vor allem kommt mit »Sowas von da« die erste improvisierte Adaption eines Romans ins Kino: Es geht hier also nicht um Konventionelles. Oskar ist irgendwas Verwirrtes Mitte zwanzig, hat einen Club auf der Reeperbahn und einen Haufen Probleme: Vor Jahren hat er sich beim berüchtigten Kiezkalle Geld geliehen, jetzt will der zehntausend Euro. Dabei steckt Oskar schon tief in Schulden – die Silvesternacht, die der gesamte Film erzählt, wird deshalb auch die letzte sein, dann ist sein Club Geschichte. Ein Love-Interest mit dem verträumten Namen Mathilda samt komplizierter Vorgeschichte gibt es natürlich auch.
Kult wurde dieser krachtartige Plot von »Sowas von da« zuerst als gleichnamiger Roman von Tino Hanekamp, der seine Figuren in schnoddrigem Ton durch Hamburg hetzt. Für die Verfilmung entschied sich Regisseur Jakob Lass jedoch dafür, wie in seinen früheren Filmen nur mit einem skelettartigen Drehbuch zu arbeiten und die Schauspieler ansonsten auf ein echtes Setting knallen zu lassen, mit viel Raum für Improvisation. Was in Filmen wie »Frontalwatte«, »Tiger Girl« oder »Love Steaks«, einer der besten Liebeserzählungen der letzten Jahre, längst bewährtes Lass’sches Erfolgskonzept ist, wird bei einer Romanadaption zur Herausforderung: Wie verfilmt man Worte wie »Brutalkopfschmerz« oder »Extrembrechreiz«?
Und da kommt schließlich Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher ins Spiel: Der Altphilologe, der auf alten Abbildungen aussieht, als wäre er gerade unfreiwilliger Augenzeuge einer Orgie geworden, passt zwar so gar nicht in das Setting von St. Pauli, allein schon, weil hier alle Figuren kurze kampfhundähnliche, leicht durch die Masse rufbare Namen tragen wie Rocky oder Leo – aber er ist hier auch weniger geistlich als vielmehr geistig von Bedeutung, können seine Methoden des Übersetzens doch einiges in Hinblick auf Lass’ Herangehensweise erklären: Adaptieren ist schließlich eine Art kinematografisches Übersetzen, das Übertragen von literarischer in Bildsprache.
Statt sich nämlich an einer einbürgernden Übersetzung entlangzuhangeln, die brav Szene für Szene und Bild für Bild umsetzt, setzt »Sowas von da« eher auf die verfremdende Methode, die sich unterwegs gewisse Freiheiten nimmt, um dafür den Geist des Originals in die Adaption zu retten. Für den Dreh organisierte Lass deshalb ein paar Partys in echten Hamburger Clubs, mit echten Bands, echtem Feiervolk, nur in den Gläsern der Schauspieler Wasser statt Wodka. Mit schnellen Schnitten und ein paar Stilmitteln aus der Trickkiste der Neunziger, wie einem kompletten Voice-over von Oskar oder Soundeffekten, wird »Sowas von da« dann zu einer Art Videospiel, in dem es keine wirkliche Chronologie gibt, nur verschiedene Levels, eine Handvoll Leben, keine Wegvorgabe, und am Ende zählt: der Moment. Und der Geist ist sowas von da. ||
SOWAS VON DA
Deutschland 2018 | Regie: Jakob Lass | Mit: Niklas Bruhn, Martina Schöne-Radunski, David Schütter u. a. | 91 Minuten
Kinostart: 16. August
Trailer
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