Steven Spielbergs »Die Verlegerin« leidet an einer Wirklichkeit, die den Film längst überholt hat
Sie zögert, sie zaudert. Sie wartet, während über ihr die Kamera ihre Kreise dreht. Die Augen flackern. Dann haucht sie ihre Zustimmung in den Hörer. War es eine spontane Eingebung? Oder gab sie dem Druck nach, irgendetwas sagen zu müssen, eine Entscheidung treffen zu müssen, jetzt, in diesem Moment, so kurz vor der Deadline? Willkommen in einer Zeit, in der der Drucktermin noch so richtig Druck machte und in der Nachrichten am folgenden Morgen noch heiß waren. Willkommen in einer Zeit, in der die US-Regierung ein laxes Verhältnis zur Wahrheit pflegt und ein beinhartes zu den Redaktionen, die ihr nicht wohlgesonnen scheinen. Willkommen im Gestern, willkommen im Heute. Die Debütantin Liz Hannah schrieb ihr Drehbuch, das später noch von »Spotlight«-Oscarpreisträger Josh Singer poliert wurde, schon im Herbst 2016 fertig. Die Geschichte um Kay Graham (Meryl Streep), die erste Verlegerin der »Washington Post«, würde heute vielleicht wahrgenommen als Kommentar und Spiegelbild des Aufstiegs weiblicher Macht.
Doch es sollte anders kommen. Und auf merkwürdige Weise lähmt seine Aktualität, seine so offenkundige wie möglicherweise nur halb beabsichtigte Parabelhaftigkeit, den Film ganz gewaltig. Steven Spielberg hinter, Meryl Streep und Tom Hanks vor der Kamera, schon diese Namen schreien heraus, hier komme nicht nur etwas handwerklich Perfektes, sondern etwas Wichtiges zur Aufführung. Rechtzeitig zur Award-Season, beflügelt vom anderswo verbreiteten Schwachsinn um »fake news« und »alternative facts«. Doch das Wahrheitspathos versteckt sich innerhalb der Erzählung; es dominiert der empathische und dennoch kitschfreie Blick auf Menschen, die hin und her und wieder hin diskutieren, wie an die echten Fakten zu kommen sei – und, vor allem, was man mit ihnen anfangen solle, wenn man sie endlich hat. Im Sommer 1971 hat die »New York Times« die Fakten zuerst – Tausende Seiten der sogenannten Pentagon Papers, eines Dossiers des US-Verteidigungsministeriums, das nachweist, wie lange der Krieg in Vietnam schon vorbereitet wurde, als die Regierungen noch das Gegenteil behaupteten. Mehr als das: Dieser Krieg sei nicht zu gewinnen, ist dort zu lesen. Und dennoch wird er weitergeführt. Während die »Times« aber auf richterliche Anordnung die Publikation stoppt, fällt das Dokument der »Washington Post« in die Hände. Vor allem an deren Chefredakteur Ben Bradlee (Hanks) und an Kay Graham ist es nun zu vermitteln: zwischen Richterspruch, Gewissen und der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit.
Bei Tom Hanks ist Bradlee ein forscher, die Konfrontation suchender Mann der Tat. Meryl Streep hingegen verleiht Graham eine Sanftheit, die alle Unsicherheit, alles Entsetzen, alles nervöse Zucken noch mit Würde auflädt. Kein Zweifel bleibt jedoch, dass diese Kay Graham ihren Weg gehen wird, noch durch die Watergate-Affäre hindurch, die ihrer Zeitung bekanntlich schon einmal eine Würdigung durch Hollywood einbrachte und auf die auch Spielberg am Ende verweist. Bis dahin stellt er seine Darsteller ganz in den Mittelpunkt, ihre Interpretationen sind noch das Originellste an einer Erzählung, die leicht inszeniert ist und sich doch mühselig durch all den diskursiven Schlamm um den Film herum schleppen muss. ||
THE POST (DIE VERLEGERIN)
USA 2017 | Regie: Steven Spielberg
Mit: Meryl Streep, Tom Hanks, Sarah Paulson
u. a. | 115 Minuten | Kinostart: 22. Februar
Trailer
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